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«Das Theater ist meine Welt, mein Leben»

Daniel Zumbühl 21. Februar 2021

50 Jahre auf und hinter der Bühne des Stadttheaters Sursee. Dieses seltene Jubiläum feiert heuer Hilda Joos. Über Jahrzehnte eine beliebte Hauptrollenträgerin in zahlreichen Operetten und Musicals, zieht sie heute als Inspizientin im Hintergrund die Fäden – so denn nicht das Coronavirus wütet.

Gegenwärtig hält das Coronavirus die Welt in Atem. Es gibt aber auch weit angenehmere Formen von Viren – das Theatervirus zum Beispiel. Von diesem liess sich Hilda Joos schon als junges Mädchen anstecken. In Luzern aufgewachsen, hörte sie im Herbst 1970 von einer Kollegin, dass im Operettenchor des Stadttheaters Sursee noch ein Platz frei sei. Singen hatte sie am Konservatorium Luzern gelernt, und schon als Kind war sie im Ballett und besuchte am Theater Luzern regelmässig Operettenaufführungen. «Mich faszinierte die Kombination von Musik, Gesang und Tanz», sagt die heute 66-jährige Oberkircherin.

 

Erste Hauptrolle mit 17

So schnupperte sie denn in der Operettensaison 1971 als junge Chorsängerin zum ersten Mal in Sursee Theaterluft. Schon ein Jahr später bekleidete sie gerade mal 17-jährig die erste Hauptrolle in der Operette «Schwarzwaldmädel». «Von da an durfte ich immer schöne Rollen spielen. Das war für mich etwas Wunderbares», blickt Hilda Joos zurück. Das Schauspielern ging ihr durch «Learning by doing» schnell ins Blut. «Unter den Regisseuren profitierte ich von Franz Beck, der mich als junge Sängerin förderte, und von Adi Fischer unglaublich viel», ist sie noch heute dankbar. Befragt nach ihren Highlights nennt sie etwa die Wirtin im «Weissen Rössl» sowie die Hauptrollen in der «Csárdásfürstin» und in den Musicals «Anatevka» und «Kiss me Kate». Ihre letzte grosse Rolle hatte sie in der «Lustigen Witwe», und in der Operetten-Revue «La Vie Parisienne» stand sie 2015 zum letzten Mal auf der Bühne.

 

Sie liess den Charme «tschädere»

Drei Jahre zuvor zeichnete die Stadt Sursee die Vollblut-Theaterfrau mit dem Kulturpreis aus. «Sie lässt ihren betörenden Charme ‘tschädere’, sobald sie die Bühne betritt», würdigte sie damals ihr Laudator Hans Ambühl, Ehrenpräsident der Musik- und Theatergesellschaft Sursee und Präsident der Stiftung Stadttheater. Und in der Tat: Mit ihrem Charisma und ihrer starken Bühnenpräsenz entwickelte sich Hilda Joos bald nach ihrem Debüt zum Publikumsliebling und zum «sicheren Wert» auf der Surseer Operettenbühne. Im Buch «KleinStadtTheater» zum 200-Jahr-Jubiläum der Musik- und Theatergesellschaft Sursee, das im Jahr 2000 erschien, wird sie in einem Atemzug mit den Operettenlegenden Leonhard Wüst, Franz und Pia Beck, Anneliese Joos (ihre Schwiegermutter), Willy Friebel und Remo Springhetti genannt.

 

Theater gehörte zur Familie

In all den Jahren bestritt Hilda Joos ausserhalb der Operettensaison in der ganzen Region zahlreiche Auftritte mit dem kleinen Operetten-Ensemble. Überdies sang sie auch regelmässig als Solistin in feierlichen Messen in der Pfarrkirche Sursee. Und nicht zuletzt liess sie sich zur Coiffeuse ausbilden und unterstützte ihren Mann Roland im Coiffeursalon an der Centralstrasse. Wie brachte sie bloss das alles unter einen Hut? «Das frage ich mich manchmal auch», meint die zweifache Mutter und vierfache Grossmutter. Es sei teilweise schon happig gewesen – aber erleichtert worden durch den Umstand, dass die ganze Familie, ihr Mann als langjähriger Maskenbildner, und auch die Kinder am Theater mitmachten. «Das Theater gehörte einfach zur Familie. Schon meine Schwiegermutter spielte Hauptrollen, und auch mein Schwiegervater war in der ‘Maske’ tätig», sagt Hilda Joos. «Aber klar, mein Hobby ausleben zu können und parallel dazu eine Familie zu haben, das war alles andere als selbstverständlich.» 

 

Von einem schönen Virus infiziert

Das Faszinierende am Theater sei für sie die spezielle Atmosphäre, diese «Welt für sich». «Es ist wirklich so: Man wird infiziert wie von einem Virus, aber einem schönen Virus.» So ist denn auch nur verständlich, dass Hilda Joos nach ihrem letzten Bühnenauftritt 2015 der Theaterwelt nicht Adieu sagte, sondern hinter die Bühne wechselte, wo sie bis heute die Schlüsselposition der Inspizientin innehat. Bei ihr laufen alle Fäden zusammen, sie muss die Übersicht, den Blick für das Ganze haben – die Inspizienz ist gewissermassen die Kommandozentrale einer jeden Theateraufführung. Für diesen Posten konnte Hilda Joos von ihrer langjährigen Bühnenerfahrung zehren: «Natürlich habe ich es genossen, auf der Bühne zu stehen. Aber nun bin ich auch gerne hinter der Bühne.»

Bei der obligaten Frage nach dem Lampenfieber winkt sie ab: «Das hatte ich immer, von der ersten bis zur letzten Aufführung.» Natürlich habe mit der Zeit die Routine geholfen, aber eine gewisse Nervosität sei immer da gewesen – und später hin und wieder auch der Druck, in der Hauptrolle bestehen zu können. In einigen Situationen, etwa, wenn ein Kollege seinen Auftritt verpasst habe, sei auch Improvisationstalent hilfreich gewesen, erzählt Hilda Joos weiter. Glücklicherweise habe sie nie eine Vorstellung wegen Krankheit absagen müssen. «Einmal jedoch, im Musical ‘Kiss me Kate’, spielte ich sogar trotz Grippe.»

 

1200 Aufführungen auf dem Konto

Wegen Corona kann die Musik- und Theatergesellschaft das seltene 50-Jahr-Bühnenjubiläum von Hilda Joos nicht im gewohnten Rahmen anlässlich der Derniere würdigen. Fast mehr noch als die Jahre zählt in diesem Genre die Anzahl der bestrittenen Aufführungen. Bei ihr dürften es mittlerweile über 1200 sein. Gerne möchte sie noch einige Dutzend mehr anhängen. «Corona ist ein trauriges Kapitel. Ich hoffe, dass bis zur verschobenen Premiere des ‘Schwarzen Hechts’ am 15. Januar 2022 wieder Normalität herrscht. Das wäre den Musikern, Sängern und Technikern und allen anderen auf und hinter der Bühne Beteiligten zu gönnen.» 2023 steht dann die Choroperette «Der Zigeunerbaron» von Johann Strauss auf dem Programm, und zwei Jahre später kann die Musik- und Theatergesellschaft, einer der ältesten Vereine Sursees, ihr 225-Jahr-Jubiläum feiern. Auch dann wäre Hilda Joos natürlich gerne noch als Mitglied des Ensembles dabei. 

 

Wie eine grosse Theaterfamilie

So blickt sie denn mit guten und dankbaren Gefühlen auf ihre fünf Jahrzehnte auf und hinter der Surseer Stadttheaterbühne zurück: «Die Jahre vergingen wie im Flug. Ich erwischte eine gute Zeit, hatte die Chance und das Glück, viele schöne Rollen spielen zu dürfen.» Etwas vom schönsten sei für sie immer die gute Stimmung gewesen, die im Operettenensemble geherrscht habe: «Wir waren wie eine verschworene Gemeinschaft, eine wirkliche Theaterfamilie.» Miteinander etwas erarbeiten, der gemeinsame Erfolg, ausverkaufte Vorstellungen – das mache einfach glücklich. «Das Theater ist meine Welt, mein Leben», bringt es Hilda Joos auf den Punkt.

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