Walter Estermann, nach der 22. Saison geben Sie nun das Nottwiler Badi-Restaurant in neue Hände. Wie ist Ihre Gefühlslage?
Momentan ist alles noch gut. Es herrscht ein Gefühl der Zufriedenheit und der Genugtuung darüber, viel richtig gemacht zu haben. Aber ich spüre auch, dass es für mich der richtige Zeitpunkt ist, kürzer zu treten. 22 Jahre sind eine lange Zeit, und man sollte auf dem Höhepunkt aufhören. Das ist zwar ein abgedroschener Spruch, aber er hat etwas an sich.
Sie hatten die erste Saison als Badiwirt 2003, im Jahr des Jahrhundertsommers. Was ist Ihnen davon besonders in Erinnerung geblieben?
Ich wusste nicht wirklich, was auf mich zukommen würde. Und dann sah ich mich plötzlich buchstäblich ins kalte Wasser geworfen. Im ungewöhnlich warmen Juni wurde das Restaurant förmlich überrannt. Wir hatten damals eine Gästefrequenz, die erst nach dem Umbau der Badi 2012 wieder erreicht wurde.
Was brachte dieser Umbau?
Die Anzahl der Sitzplätze vergrösserte sich, und küchentechnisch konnte ich das Angebot erweitern.
Apropos Angebot: Ihre Pommes frites gelten als die besten aller Badis rund um den Sempachersee. Kamen auch Leute nur aus Gwunder, ob die wirklich so gut sind, zu Ihnen?
Ja, das war sicher so. Aber in den letzten Jahren entpuppten sich auch die von einer Thai-Schweizerin handgemachten Frühlingsrollen als Renner.
Die Badi Nottwil ist die einzige am Sampachersee, die kostenlos zugänglich ist. Ist das ehr ein Vor- oder ein Nachteil?
Der freie Eintritt wird von den Gästen sehr geschätzt. Man kann spontan kommen und auch wieder gehen, wenn sich das Wetter verschlechtert.
Aber ist der freie Eintritt nicht auch ein Grund dafür, dass die Badi Nottwil bei schönem, heissem Wetter vor allem sonntags manchmal an ihre Kapazitätsgrenzen stösst?
Das lässt sich nicht verleugnen. Besonders diese Saison, die wettermässig nicht die tollste war, konzentrierte sich der Grossaufmarsch auf die kurze Zeit von Mitte Juli bis Mitte September, also auf etwa zwei Monate. Da stiessen wir manchmal tatsächlich an Grenzen – aber nicht wegen des Personals, sondern aufgrund der Infrastruktur. Trotz des durchzogenen Wetters ist die Saison 2024 übrigens die drittbeste der 22 vergangenen Saisons.
Was wird Ihnen besonders fehlen, wenn Sie den Schlüssel zum Badi-Restaurant abgegeben haben?
Ganz klar die vielen Stammgäste, die jeweils schon im April kamen und bis im Oktober treue Besucher waren. Ich durfte in den letzten Wochen von ihnen immer wieder hören, wie schade es sei, dass ich aufhöre.
Wie würden Sie den typischen Gast der Badi Nottwil charakterisieren?
Der typische Badigast hat sein typisches Ritual. Besonders bei den Stammgästen wusste ich jeweils bereits im Voraus, was bestellt wird. Viele Gäste sitzen auch immer am gleichen Ort, falls Platz vorhanden ist. Auch in Bezug auf das Schwimmen gibt es viele Rituale und Gewohnheiten. Ich denke da zum Beispiel an die «Montagsschwimmerinnen».
Was waren die Höhepunkte in Ihrer über 20-jährigen Zeit als Badiwirt?
Dazu gehören sicher die zwei bis drei kleinen, aber feinen Konzertveranstaltungen, die wir jeweils in jeder Saison organisierten. Oder die lauen Abende, an welchen sich spontan eine gemütliche Runde bildete, die sich erst zu später Stunde auflöste. Aber auch die legendären Ustrenkete, manchmal bei Minusgraden, waren speziell. Und nicht zu vergessen sind die Bundesfeiern in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Nottwil und die Startevents des Triathlons.
Was waren die weniger schönen Seiten?
In den letzten Jahren wurde ich immer mehr zum «Mädchen für alles». Ich musste für alles schauen, was auf dem Badiareal passiert. Dadurch, dass die Badi Nottwil 24 Stunden am Tag zugänglich ist, gab es anfänglich viel Littering und Vandalismus. Mittlerweile besserte sich die Situation, aber es ist immer noch ein Thema. Ich wollte nie den Polizisten spielen, sondern suchte immer das Gespräch mit jenen, welche die Regeln nicht einhielten, was im Grossen und Ganzen auch akzeptiert wurde.
Hatten Sie nie Probleme, genügend Personal zu rekrutieren?
Nein, das ging eigentlich meistens gut. Fast immer kamen Interessierte selbst auf mich zu mit der Anfrage, ob sie arbeiten könnten. Natürlich gab es Spitzentage, wo es manchmal eine Herausforderung war. Obwohl es eine strenge Arbeit ist, sprachen die meisten Mitarbeitenden davon, eine gute Erfahrung gemacht zu haben.
Sie erwähnen die strenge Arbeit. Für Sie selbst hiess das an schönen Sommertagen sehr viele Arbeitsstunden. Woher nahmen Sie die Energie dafür?
In der Tat gab es viele lange Tage. Eine Präsenzzeit von morgens um 6 bis abends um 23 Uhr war keine Seltenheit. Aber da half mir mein ehemaliger Beruf als gelernter Bäcker. Von daher bin ich mir lange Arbeitszeiten und frühes Aufstehen gewohnt.
Was taten Sie zum Ausgleich?
Den Ausgleich verschaffte ich mir durch Tauchferien auf den Philippinen während des Winters, bei gemütlichen Runden unter Taucherkollegen und als passionierter Handball-Schiedsrichter.
Die ehrenamtliche Tätigkeit für die Spono Eagles war neben der erfolgreichen Führung des Badi-Restaurants ja auch der Grund dafür, dass Sie 2010 von der Gemeinde mit dem «Nottwiler Stern» geehrt wurden. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Das war für mich ein Zeichen der Wertschätzung. Dies und die Trauerweide mit Inschrift auf dem Badiareal, die ich geschenkt bekam, berührten mich sehr.
Was tun Sie nun nach dieser letzten Saison als Nottwiler Badiwirt? Es sind ja noch einige Jahre bis zu Ihrer Pensionierung.
Vorerst stehe ich natürlich gerne für eine nahtlose Übergabe zur Verfügung. Was danach kommt? Konkret ist zwar noch nichts, aber als Ur-Notteler wäre es mein Wunsch, die vier verbleibenden Jahre in Nottwil oder der näheren Umgebung in einem Angestelltenverhältnis tätig zu sein. In Bezug auf die Branche bin ich offen. Es muss nicht unbedingt das Gastgewerbe sein. Und dann wird man mich bestimmt auch das eine oder andere Mal in der Badi Nottwil antreffen – einfach auf der anderen Seite. Denn die Badi ist und bleibt mein Herzensplatz.