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Diese Frauen liessen seit 50 Jahren keine Abstimmung aus

Geri Wyss 04. Oktober 2020

Vor 50 Jahren nahm der Kanton Luzern das Frauenstimmrecht auf kommunaler und kantonaler Ebene an. Fünf Frauen erzählen, was der Meilenstein für sie bedeutete.

An die Abstimmung vom Oktober 1970 erinnern sich Miggi Bühler und Anna Suter, Bewohnerinnen des Hauses für Pflege und Betreuung Seeblick in Sursee, nur vage. Die 85-jährige St. Gallerin Anna Suter weiss aber, dass die letzten, die das Frauenstimmrecht angenommen haben, die Appenzeller Innerrhodener waren. Dies sei ihr geblieben, da sie selber zur Hälfte Appenzellerin sei. Nach Luzern kam sie 1955 aus beruflichen Gründen. «Ich wollte nur ein Jahr bleiben und dann wieder Richtung Ostschweiz ziehen», erzählt sie. Doch Suter verliebte sich in einen Luzerner und wurde in Beromünster sesshaft. An ihre erste Abstimmung kann sie sich nicht erinnern, jedoch liess sie nie eine Abstimmung aus. «Bei Wahlen habe ich immer genau nachgelesen, was diese Personen können und welche Schulbildung sie haben oder ob sie einfach nur kandidierten, um ihre Interessen zu verfolgen», so Suter.

«Mir hat das nicht viel gesagt», sagt Miggi Bühler, die damals 34 Jahre alt war. «Ich habe nie gross politisiert.» Sie und ihr Mann wirteten damals in einem Restaurant in Neuenkirch, wohnhaft waren sie in Schenkon. An eine Abstimmung mag sich Bühler aber besonders gut erinnern. Die Volksabstimmung zur Einführung der Sommerzeit 1978. «Das Volk lehnte sie ab und dennoch wurde sie eingeführt. Das zeigte mir, dass sie eh machen, was sie wollen.»

 

Abstimmung zur Sommerzeit blieb in Erinnerung

«Zu unserer Zeit haben sich nicht viele Frauen mit Politik beschäftigt. Heute ist das anders. Die Mädchen werden ganz anders ausgebildet», gibt Anna Suter zu Bedenken. Miggi Bühler stimmt zu: «Wir haben das nie gelernt.» Abstimmen zu dürfen, war für sie gewöhnungsbedürftig. Was aber nicht heisst, dass die beiden nicht meinungsstark waren.

Anna Suter beispielsweise sorgte immer dafür, dass sie gehört und ernst genommen wurde. Sei das auf der Bank, wo man ihr in Abwesenheit ihres kranken Mannes kein Geld aushändigen wollte – «Kommt nicht in Frage. Sie haben keine Rechte» – oder bei der Arbeit in der Textilfabrik, wenn Mitarbeiter ihre Fähigkeiten unterschätzten – «Eine St. Gallerin kann mir nicht befehlen, wie ich zu arbeiten habe.» In beiden Fällen bekam Suter am Ende ihren Willen. Und noch heute sagt sie geradeheraus, was sie denkt. «Mein Vater sagte immer, du darfst alles sagen, was du willst. Und wenn sie sagen, mach es, beweis es, dann musst du es können. Sonst musst du ruhig sein.»

Auch Bühler erlebte die eine oder andere unangenehme Situation in ihrer Zeit als Wirtin. «Ich konnte mich aber jeweils gut durchsetzen, wenn manche Gäste wieder einmal Krach machen wollten», sagt sie und lacht.

 

Eine unwahrscheinliche Freude

Marietheres Bürgi ist eine Ursurseerin, lebte aber lange Zeit in der Stadt Luzern – auch am 25. Oktober 1970, als sie 30-jährig war und mitfieberte. «Ich hatte eine unwahrscheinliche Freude über das Ergebnis», erinnert sie sich an die Abstimmung über das kantonale und kommunale Frauenstimmrecht. «Endlich waren die Frauen gleichberechtigt.» Nachher sei sie immer abstimmen gegangen.

Die Gleichberechtigung war Marietheres Bürgi auch in ihrem Beruf als Lehrerin wichtig: «Jeder Schüler ist gleichberechtigt.» Sie erinnert sich noch an ein Mädchen, das in der Surengasse wohnte. Ihr wurde gesagt, es müsse nicht in die Sek gehen. Unterschiedliche Löhne zwischen Lehrerinnen und Lehrer waren früher gang und gäbe, wie sie es selber erlebte.

Lehrerin Marietheres Bürgi wurde nach ihrer Heirat gesagt, sie müsse jetzt nicht mehr arbeiten. «Ich habe es aber nicht ausgehalten ohne Beruf.» Auch gegenüber ihrem Vater musste sie für die Gleichberechtigung kämpfen. Heute ist sie überzeugt, dass eine bewusste Mischung von Männern und Frauen in Gremien Erfolg bringt.

 

Immer abstimmen und wählen

Alice Häfliger aus Sursee stimmte seit 1970 immer ab. «Natürlich fanden wir es gut, als die Männer das Frauenstimmrecht angenommen hatten», sagt sie und meint aber mehr das Ja auf eidgenössischer Ebene 1971. Bewusst erinnert sie sich nicht an das Datum des 25. Oktobers 1970.

Damals hatte ihre Familie eine Bäckerei. Alice Häfliger musste schon früh mithelfen – auch im Haushalt. «Die Frauen hatten nicht viel zu sagen.» Heute hätten es die Frauen viel besser. «Sie bekommen die Unterstützung ihrer Männer und können neben den Kindern arbeiten.»

 

Masslos geärgert

«Ich habe mich masslos geärgert, dass Hanspeter an die Urne gehen durfte, und ich draussen bleiben musste», erinnert sich Esther Bisig. Früher, im Blauring Sursee, seien die Mädchen instrumentalisiert worden, gegen das Frauenstimmrecht zu sein nach dem Motto «die Frau gehört an den Herd». Das Ja zum Frauenstimmrecht habe sie selbstverständlich riesig gefreut. Später, als ihre Kinder etwas grösser waren und sie wieder etwas «Luft bekam», begann die 1940 geborene Esther Bisig sich politisch zu engagieren. 1991 war sie am Frauenstreik Sursee mit dabei.

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