Der Begriff Neophyten bezeichnet neue Pflanzen, die nach der Entdeckung Amerikas 1492 beabsichtigt oder unbeabsichtigt nach Europa eingebracht worden sind. Einige davon sind invasiv, das heisst, sie verbreiten sich stark, verdrängen hiesige Pflanzen und bedrängen die Artenvielfalt. Ein ganz besonders hartnäckiger Brocken ist der Japanische Staudenknöterich, der ursprünglich aus dem Raum Japan, China und Korea als Zierpflanze in die Schweiz eingeführt worden war. Will man diesen Knöterich loswerden, verlangt dies nach sehr aufwändiger und kostspieliger Arbeit.
Neuenkirch hält sich bereit
Die Gemeinde Neuenkirch hat dazu ein Neophyten-Konzept erarbeitet, mit dem sie die Standorte des Japanischen Staudenknöterichs und anderer Neophyten erfasst und auch festlegt, wie man gegen diese fremden Pflanzen vorgehen will. Es wurden verschiedene Rollen und Prozesse für eine systematische Bewirtschaftung niedergeschrieben. «Bei grösseren Befällen definieren wir die möglichen Massnahmen dagegen und schätzen auch die Kosten ab», sagt Gemeinderat Benjamin Emmenegger. Je nach Standort und Grösse der Bestände sei die Bekämpfung Sache der Grundeigentümer, oder aber die Gemeinde sorge nach Bedarf zusammen mit dem Kanton dafür, dass Neophyten wie der Japanische Staudenknöterich zurückgedrängt und unter Kontrolle gehalten werden können, ergänzt Emmenegger.
Wuchernde Monokulturen
Dass der Kampf sehr herausfordernd ist, zeigt sich eindrücklich, wenn man sich den Japanischen Staudenknöterich etwas genauer anschaut. Die Pflanze kann bis zu vier Meter hoch werden und ein weitverzweigtes Wurzelnetz in einem Umkreis von bis zu sieben Metern bilden. Laut Infoflora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Pflanzenwelt, wachsen Staudenknöteriche in Monokulturen mit einer enormen Dichte von bis zu 238 Stängeln auf einen Quadratmeter. Mit dieser Zahl wird deutlich, dass darunter kein anderes Kraut mehr wächst und die ostasiatische Pflanze der Biodiversität arg zuzusetzen vermag.
Ein bisschen Spritzen nützt nichts
Doch damit nicht genug. Das Wachstum erfolgt extrem schnell, und bereits kleinste Pflanzenteile, sogenannte Rhizome, können sich regenerieren und neue Triebe bilden. Die Pflanze ist äusserst kraftvoll und vermag auch an Bauwerken Risse und andere Schäden zu verursachen. Noch vor wenigen Jahren vertrat man die Ansicht, dass vor allem mit chemischen Pflanzenvertilgungsmitteln dem Japanischen Staudenknöterich Einhalt geboten werden könne. Eine Studie, bei der unter anderem auch die kantonale Dienststelle Landwirtschaft und Wald (lawa) beteiligt war, zog aber 2017 ein ernüchterndes Schlussfazit. Darin heisst es beispielsweise, dass dem Knöterich mit chemischen und mechanischen Methoden wie Mähen nicht in nützlicher Frist beizukommen sei. Es müsse mit langjährigen Interventionen und hohen Kosten gerechnet werden.
Plötzlich sind sie zurück
Der Neuenkircher Gemeinderat Benjamin Emmenegger sagt denn auch: «Niemand hat ein Patentrezept, wie man den Staudenknöterich mit Sicherheit eliminieren kann.» Peter Kull, Fachbereichsleiter Lebensräume der lawa, ergänzt: «Chemische Behandlungsmethoden haben sich nicht in jedem Fall als wirksam herausgestellt. Sie bieten keine Gewähr, dass sich der Staudenknöterich nicht wieder ausbreitet». Kull illustriert anhand eines Beispiels eindrücklich, was das bedeutet. «Im Rahmen der Studie hat man auf einem Versuchsfeld in Luzern Glyphosat mit einer grossen Spritze in die Stängel des Staudenknöterichs initiiert.» Damit habe man erreicht, dass nach dem dritten Jahr der Behandlungen keine Pflanzen mehr gewachsen seien. In den beiden Folgejahren habe man weiterhin genau geschaut, ob noch etwas spriesse, was an diesem Standort nicht der Fall war. «Man hat gemeint, den Staudenknöterich ausgerottet zu haben, doch nach dem sechsten Jahr ist er plötzlich wieder mit grossen Trieben aufgetaucht.»
Wasser als «Superspreader»
Japanische Staudenknöteriche könnten im Boden schlechte Jahre unerkannt überdauern. «Sie gehen in eine Art Standby und zehren von Reservestoffen. Und plötzlich sind sie wieder da.» Von der Überlebensstrategie her sei diese Pflanze faszinierend, führt Peter Kull weiter aus. «Doch für die Bekämpfung ist sie eine echte Herausforderung», formuliert er es noch optimistisch.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Pflanze durch die erwähnten Bestandteile in den Böden, aber auch durch die Verbreitung über Wasserläufe rasch und unkontrolliert ausbreiten kann. Japanische Staudenknöteriche entwickeln sich mit Vorliebe entlang von Böschungen der Gewässer. Ein bekannter Standort ist etwa das Mühletal in Sempach. Benjamin Emmenegger spricht von drei grossen Vorkommen in Neuenkirch, wovon eines der Rotbach in Hellbühl ist. Entsprechend noch schwerer ist die Bekämpfung, weil das Rückschneiden in unwegsamem Gelände mühsam ist und den Einsatz von Chemie nicht erlaubt.
Knöteriche sind Sondermüll
Die Absicht Neuenkirchs, sich ein Neophyten-Konzept zuzulegen, lobt Peter Kull. «Es braucht je nach Standort spezifische Vorgehensweisen gegen den Japanischen Staudenknöterich.» Da die Bekämpfung dermassen schwierig ist und auch sehr teuer werden kann, scheiden sich aber die Geister, wer nun wann genau dafür zuständig ist. Böden mit Knöterich gelten als verseucht, die Erde muss auf Spezialdeponien entsorgt werden – und ganze sechs Meter hoch mit sauberer Erde überdeckt werden, damit Rhizome nicht wieder austreiben können. Stark betroffene Grundstücke erleiden auch massive Wertminderungen. Egal, wo Japanische Staudenknöteriche vorkämen, sei es entscheidend, dass in einem möglichst frühen Stadium gegen die Pflanze vorgegangen werde. «Dann ist die Chance am grössten, erfolgreich zu sein.»