Skip to main content Skip to page footer

Suchformular

Anmeldung wird geprüft

Region

Ein neuer Player mischt Pax-Pläne auf

Daniel Zumbühl 20. Mai 2020

Etwas mehr als einen Monat vor der Urnenabstimmung formiert sich Widerstand gegen den Bebauungsplan Therma-Areal/Bahnhofplatz. Federführend ist die IG Entwicklung Bahnhof Sursee, hinter der vor allem Anstösser des Bahnhofplatzes stehen. Im Stadtrat sorgt diese Opposition für Befremden.

An der Orientierungsversammlung zum Bebauungsplan Therma-Areal/Bahnhofplatz der Pax im vergangenen Märzwaren kaum kritische Stimmen zum geplanten, über 60 Meter hohen Hochhaus zu vernehmen. Und auch die Parteien hielten sich – mit Ausnahme der Grünen, die sich für ein Nichteintreten an der ursprünglich für den 16. März anberaumten ausserordentlichen Gemeindeversammlung stark machten – mit Opposition zurück. Umso erstaunlicher ist, dass sich jetzt, etwas mehr als einen Monat vor der Corona-bedingten Urnenabstimmung vom 28. Juni, Opposition formiert: von der Interessengemeinschaft Entwicklung Bahnhof Sursee (IG EBS). Deren Komitee bilden vor allem Anstösser des Bahnhofplatzes. Auf ihrer Website legt die IG EBS ihre Argumente gegen eine Annahme des Bebauungsplans dar und wirbt um Sympathisanten. Bis Redaktionsschluss trugen sich dort 75 Personen ein.

 

Prüfstein für innere Verdichtung
Bei Stadtrats-Vizepräsidentin Jolanda Achermann stösst die kurzfristige Opposition gegen den Bebauungsplan Therma-Areal/Bahnhofplatz auf Unverständnis: «Die revidierte Ortsplanung ist vom Volk verabschiedet, und es herrscht ein allgemeiner Konsens darüber, dass die innere Verdichtung rund um den Bahnhof stattfinden soll.» Und Bauvorsteher
Bruno Bucher macht keinen Hehl daraus, dass die Abstimmung über den Bebauungsplan Therma-Areal/Bahnhofplatz ein Prüfstein für die bereits im Räumlichen Entwicklungskonzept vorgespurte Verdichtung nach innen ist: «Wenn nun diese Vorlage an der Urne scheitern sollte, dann sehe ich pechschwarz für weitere Projekte mit Bauten, die in die Höhe gehen.»

 

Projekte nicht vermischen
Das Hauptargument der IG EBS gegen den Bebauungsplan zielt dahin, dass für das Bahnhofgebiet eine Gesamtplanung und vor allem ein Verkehrskonzept fehle. Bis eine «seriöse Verkehrsplanung» vorliege, sollten keine weiteren Grossprojekte mehr bewilligt werden. Achermann stört sich vor allem daran, dass die IG den Bebauungsplan Therma-Areal und die Entwicklung des Bahnhofs miteinander vermische. Wie der Leiter Bauberatung der Stadt Sursee, Daniel Ellenberger, bestätigt, seien beide Vorhaben voneinander unabhängig, aber miteinander verwoben – und dies «aufwärtskompatibel».

 

Unterführung Süd nicht verbaut
«Das 4. Gleis und die Unterführung Süd am Bahnhof sind noch nicht geplant. Der Busbahnhof ist so nicht zukunftstauglich», moniert die IG EBS. Wie diese Zeitung aus sicheren Quellen weiss, dürften ein viertes Gleis, die dritte Personenunterführung (PU Süd) und allenfalls ein neues Bahnhofgebäude (gegenüber den Neubauten der Pax, ungefähr am Standort der heutigen Veloabstellanlage Süd) nicht vor 2035/40 gebaut werden. All diese Ausbaumassnahmen sind nämlich von der Realisierung des Luzerner Tiefbahnhofs abhängig – und nicht davon, ob die Pax die Überbauung des Therma-Areals wie geplant verwirklichen kann oder nicht.

 

Auf Masterplan-Kurs
Bucher erinnert daran, dass seit 2015 ein Masterplan zur Entwicklung des Surseer Bahnhofgebiets vorliege: «Wir befinden uns genau auf dem darin aufgezeigten Weg.» Den Vorwurf, die dritte Personenunterführung habe nach der Realisierung der Pax-Überbauung keinen Platz mehr, lässt der Bauvorsteher nicht gelten: «Wir wissen, dass bei der SBB ziemlich konkrete Pläne vorliegen, wie die Unterführung und die zugehörigen Rampen problemlos zu erstellen wären.» Problematisch sei es indessen, wenn man die Fassaden der beiden Pax-Baukörper zurückversetzen würde: «Das ginge auf Kosten der Fläche, die für den Grünraum zur Verfügung steht.»

 

Moderate Verkehrszunahme
Als weiteres «Killerargument» führt die IG EBS das Fehlen eines Verkehrskonzepts ins Feld. Bucher weist in diesem Zusammenhang darauf hin, das mit dem Bebauungsplan auch ein Verkehrskonzept öffentlich aufgelegen sei. Dieses habe das durch die Pax-Überbauung generierte Verkehrsaufkommen auf dem Bahnhofplatz mit 15 und auf der Centralstrasse mit 34 Prozent ausgewiesen. «Das ist im Vergleich zur Wohnfläche relativ wenig Mehrverkehr», so der Bauvorsteher.

 

Pro-Komitee geplant
Die Pax als Bauherrin prüft nun, ein Pro-Komitee auf die Beine zu stellen, um der Vorlage trotz der Opposition der IG EBS zum Durchbruch zu verhelfen. Gemäss Ellenberger würde auch nach einer allfälligen Ablehnung des Bebauungsplans an der Urnenabstimmung vom 28. Juni die öffentliche Auflage des Projekts für den neuen Bushof auf dem Bahnhofplatz bis zu den Sommerferien erfolgen und das Baubewilligungsverfahren wie vorgesehen weiterlaufen.

 

«Unverständlich»: Parteien kritisieren IG

Neuster Player im Zwist um den Dreh- und Angelpunkt Therma-Areal/Bahnhofplatz: die IG Entwicklung Bahnhof Sursee. Besetzt mit bekannten Gesichtern, darunter Thomas Fischer (Fischer Weine Sursee AG), Jost Estermann (Estermann AG) und Andreas Marbach (Korporationsrat), macht sich das Komitee stark für ein Nein zum Pax-Turm.

Die IG moniert, dass eine Gesamtplanung für das Gebiet Bahnhof fehle. «Das vierte Bahngleis und die Unterführung Süd sind noch nicht geplant und die Gebäude auf dem Therma-Areal stehen zu nahe an den Geleisen», schreibt das Komitee auf seinem Flyer, der in diesen Tagen in alle Haushaltungen der Stadt flattert. «Wir verbauen uns wortwörtlich unseren sowieso schon kleinen Handlungsspielraum», meint die IG. Und: «Der [geplante] Busbahnhof ist so nicht zukunftstauglich.»

Bevor weitere Grossprojekte in Sursee bewilligt würden, brauche es zudem eine seriöse Verkehrsplanung, um das Wachstum der Stadt abzufedern. «Sursee kann und soll weiter wachsen, aber mit Augenmass. Dazu gehört ein vernünftiges öV-Konzept», schliesst das Argumentarium der IG.

 

Abwarten und dann bauen
«Wir wollen das Hochhaus auf dem Therma-Areal nicht verhindern. Dass das Areal irgendwann überbaut wird, ist klar. Bis dahin verlangen wir aber eine sorgfältige, zukunftsgerichtete Planung über das gesamte Bahnhofgebiet», sagt Philipp Zihler vom Komitee der IG. Der Bahnhof sei der Verkehrsknotenpunkt der Region, weshalb es einen planerischen Flickenteppich zu vermeiden gelte.

«In Sursee sind viele Bauprojekte parallel in der Pipeline. Wieso warten wir nicht ab und schauen, wie sich diese auf das Wachstum und den Verkehr in der Stadt auswirken, bevor wir eine solch neuralgische Stelle wie das Therma-Areal verbauen?», fragt Komitee-Mitglied Rolf Studer. Ein bis zwei Jahre würden bereits reichen, um die Situation rund um den Bahnhof besser beurteilen zu können.

Bei der Kommunikation des Stadtrats verortet die IG zudem Verbesserungspotenzial. «Das öffentliche Mitwirkungsverfahren ging an der Bevölkerung vorbei. Es reicht nicht, wenn die Stadt sagt, der Verkehr nehme durch den Bau des Wohnturms nicht stark zu. Es braucht Zahlen, damit sich die Bürger ein umfassendes Bild machen können. Eine Infoveranstaltung zehn Tage vor der Gemeindeversammlung tut es nicht», so Zihler.

 

«IG vermischt Tatsachen»
Bis auf die Grünen, die im März Nichteintreten empfahlen, stehen die Surseer Ortsparteien geschlossen hinter dem Bebauungsplan Therma-Areal. Selbst die SP, die sich noch
vor Kurzem mit einem kritischen Fragenkatalog an den Stadtrat wandte, empfiehlt eine Annahme. «Der Stadtrat hat unsere Fragen sehr ausführlich beantwortet und mehrheitlich geklärt. Die Geschäftsleitung der SP Sursee steht folglich hinter dem Bebauungsplan», schreibt Ortsparteipräsident Martin Bisig auf Anfrage. Er verweist auf den langjährigen und partizipativen Charakter der Ortsplanung, die im vergangenen Jahr angenommen wurde und wonach der Hochhausstandort am richtigen Ort sei.

Als «unverständlich» und «widersprüchlich» taxiert Bisig die Argumentation der IG. «Die Gestaltung des Bahnhofplatzes wird als Anlass zur Verhinderung eines Hochhauses genommen, obwohl die beiden Projekte nur indirekt zusammenhängen», so Bisig. Ein Konzept für den Bahnhofplatz existiere und sei den Parteien wie auch anderen Interessengruppen in einer ersten Vernehmlassung zur Stellungnahme unterbreitet worden. «Die IG vermischt Tatsachen und kommuniziert ungenau. Es werden – einmal mehr in Sursee – im Namen einer IG Eigeninteressen hinter öffentlichem Interesse versteckt», kritisiert Bisig.

 

Verkehrskonzept vorantreiben
Partikularinteressen wollen auch CVP und FDP bei der IG ausmachen und weisen auf die gemeinsame Arealentwicklung der Fischer Weine Sursee AG, der Landi Sursee und Jost Estermann hin, die vom Masterplan Bahnhof tangiert würde. Gegen diesen Vorwurf verwahrt sich das Komitee. «Die IG ist eine heterogene Gruppe aus Anwohnern und Bürgern, die ein Unwohlsein gegenüber dem Wachstum von Sursee ohne Verkehrskonzept verspürt. Von den Plänen am Bahnhof ist die gesamte Bevölkerung der Region betroffen. Wir alle sind es der Stadt schuldig, uns für eine nachhaltige Zukunft einzusetzen», sagt Studer.

Dass die Situation am Bahnhofplatz komplex ist und mit Sorgfalt betrachtet werden muss, räumen indes auch die Parteien ein. «Was den Verkehr anbelangt, gibt es durchaus offene Fragen», sagt CVP-Ortsparteipräsidentin Susanne Stöckli. «Deshalb wollen wir den Stadtrat an der nächsten Gemeindeversammlung beauftragen, das regionale Verkehrskonzept voranzutreiben.»

Dominique Moccand

Schon gelesen ?