Im Verlauf dieses Jahres setzt der Bund eine Revision des Arbeitslosenversicherungsgesetzes um. Teil davon ist der Wegfall der Gemeindearbeitsämter. Aktuell müssen sich Stellensuchende noch auf der Gemeinde anmelden und ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend machen. Die künftige erste und einzige Anlaufstelle werden die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren sein, für die Gemeinden um den Sempachersee ist dies das RAV Sursee.
Die Arbeitsämter sind nicht die ersten kommunalen Anlaufstellen, die in den letzten Jahren zentralisiert worden sind. Erinnert sei etwa an die Zivilstandsämter und das Vormundschaftswesen der Gemeinden, die in regionale Ämter beziehungsweise in die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde aufgegangen waren. Hört man sich bei den Gemeinden um, wird die Tendenz zur fortschreitenden Zentralisierung mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Mehrfach fällt das Argument, dass mit dem Wegfall der Gemeindearbeitsämter Bürgernähe verloren gehe.
Nähe bei Entlassungen hilfreich
Auch seien die Informationen, welche Gemeinden durch die Anmeldung von Stellensuchenden vor Ort erhalten hätten, bedeutsam, sagt etwa der Neuenkircher Sozialvorsteher Jim Wolanin. Dabei nennt er das Beispiel des Verpackungsherstellers Folag in Sempach Station, der im Oktober 2015 – für die Gemeinde überraschend – hatte Insolvenz anmelden müssen. 61 Menschen standen auf der Strasse, ein Sozialplan existierte nicht. «Durch unsere persönlichen Kontakte konnten wir Menschen weitervermitteln, und es gelang uns, wenigstens für einige wieder eine Stelle zu finden.»
Sempach «eher kritisch»
Der Sempacher Amtskollege Hanspeter Achermann sagt, das Sozialamt stehe der Aufhebung der Gemeindearbeitsämter «eher kritisch» gegenüber. «Die Vorteile sehen wir lediglich in der administrativen Entlastung und in der angepriesenen Gleichbehandlung der Stellensuchenden.» Sempach hat bei der Dienststelle Arbeitsmarkt WAS wira des Kantons Luzern einen Antrag gestellt, um auch künftig an Daten von Stellensuchenden zu gelangen. «Wir sind darauf angewiesen, um Stellensuchende bei der Bewerbung zu unterstützen, sie auf Stellenangebote aufmerksam zu machen und ihnen nach Wunsch auch Coaches aus der Freiwilligenarbeit zur Seite stellen zu können.» Die Stadt ist jedoch bei der WAS wira aus Gründen des Datenschutzes abgeblitzt.
Nur noch ein Ansprechpartner
Noch ist nicht definiert, wie der künftige Informationsfluss aussehen wird. Klar ist, dass sich die Stellensuchenden nicht mehr an die drei Amtsstellen Gemeindearbeitsamt, RAV Sursee und Arbeitslosenkasse wenden müssen, was Aurela Zefaj von der Gemeindeverwaltung Büron als einen der Vorteile der Zentralisierung hervorstreicht. Möglicherweise trauten sich die Bürger auch eher zum RAV aufgrund der höheren Diskretion. Den Wegfall der Gemeindearbeitsämter grundsätzlich positiv bewertet der Geschäftsführer und Gemeindeschreiber von Geuensee, Benedikt Elmiger. Die Gemeinde sei nur eine Durchlaufstelle gewesen, welche die Unterlagen ans RAV und die Arbeitslosenkasse weitergeleitet habe. «Das Gemeindearbeitsamt konnte den arbeitslosen Personen beispielsweise keine Auskunft über den aktuellen Stand der Auszahlung geben», nennt er als Beispiel.
Bund gibt den Takt vor
Der Hildisrieder Gemeindeschreiber Alex Estermann bezeichnet die Anpassung im Prozessablauf als «zeitgemäss und fällig». Durch den Ausbau der elektronischen Möglichkeiten werde es für die Stellensuchenden eine Erleichterung geben, ist er überzeugt. «Insgesamt erachten wir die Aufhebung als richtig.» Diese beruhe auf einem bundesrechtlichen Beschluss, hebt er hervor. Der Kanton und die Gemeinden müssen die Vorgaben somit einfach umsetzen.
Auch Nicole Müller, Leiterin Arbeitsamt Schenkon, erwähnt, dass in Zukunft verschiedene Formulare online ausgefüllt und elektronisch übermittelt werden könnten. Der Oberkircher Gemeindepräsident Raphael Kottmann glaubt, dass der Verlust an persönlichen Kontakten angesichts der zunehmenden Digitalisierung nicht zu sehr ins Gewicht fallen sollte. «Die mit der Zentralisierung einhergehende Anonymisierungstendenz kann je nach Blickwinkel als Vor- oder Nachteil empfunden werden», hält er fest.
Erst mal Erfahrungen sammeln
Der Mauenseer Gemeindeschreiber Othmar Lussi hingegen kann der Zentralisierung der Arbeitslosenvermittlung nichts Positives abgewinnen. «Die Nähe zu den Menschen, der persönliche Kontakt, all dies geht immer mehr und mehr verloren. Systeme, die sich über Jahrzehnte bewährt haben, werden immer mehr abgebaut.» Mauensee hebt das Gemeindearbeitsamt am 1. Juni auf. Triengen, Geuensee, Knutwil, Schenkon, Oberkirch, Nottwil, Eich, Hildisrieden und Neuenkirch vollziehen den Schritt per 1. April, Sursee per 1. Juli. In Schlierbach ist der Termin noch offen.
In Sempach wird das kommunale Arbeitsamt erst per 1. Januar 2022 Geschichte sein. Sozialvorsteher Hanspeter Achermann sagt dazu: «Da bei der Neuorganisation mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen ist, haben wir uns für diesen Termin entschieden.» Die Neuenkircher Gemeindeschreiberin Andrea Stocker rät erst einmal dazu, abzuwarten, wie die künftige Praxis anläuft. «Die Vor- und Nachteile sind für die Gemeinde im Moment noch schwierig abzuschätzen.»
Die RAV rüsten auf
Karin Lewis, Bereichsleiterin Arbeitsmarkt, WAS wira Luzern, sagt, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren die Mehrarbeit durch die Zusammenlegung der Gemeindearbeitsämter, aber auch durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, bewältigen können. «In den nächsten Monaten werden zusätzliche zehn Mitarbeitende angestellt. Wir sind überzeugt, dass die Dienstleistungen in gleicher Qualität angeboten werden können.» Und man habe schon vorgesorgt. Im RAV Sursee beispielsweise seien die Ressourcen in der Personalberatung im letzten Jahr bereits deutlich aufgestockt worden.
Sie stellt in Aussicht, dass die Stellensuchenden im RAV oder bei der Arbeitslosenkasse ebenso Hilfe beim Ausfüllen der Formulare erhielten wie zuvor auf der Gemeinde. Zudem forciere das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Digitalisierung. Zunehmend würden elektronische Formulare verfügbar. «Auch die Anmeldung kann bald online erfolgen, was das Aufsuchen des RAV künftig nicht mehr notwendig macht.»