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«Konzentration der Intensivpflege ist wichtig»

Ernesto Piazza 24. April 2021

Wie sieht die medizinische Versorgung im Kanton Luzern künftig aus? Gesundheitsdirektor Graf nimmt Stellung und betont: «Jetzt muss gebaut werden.»

Die künftige Ausrichtung des Spitals Wolhusen sorgt momentan vor allem im Entlebuch und im Hinterland für viel Gesprächsstoff. Dies nicht zuletzt, seit die Verantwortlichen kürzlich mit ihren Neubauplänen vor die Medien traten. In deren Anschluss wurde von «vielen offenen Fragen» bis hin zu einer «akut gefährdeten Grundversorgung» gesprochen. So rügt eine überparteiliche Gruppe von sechs Kan-tonsräten aus den betroffenen Regionen die Entwicklung, dass Wolhusen künftig nicht mehr über «eine voll ausgebaute Geburtenhilfe» verfügen soll, und bezeichnet den Abbau der Intensivstation als «Leistungsreduktion». Die Kritik zielt vor allem auf Gesundheitsdirektor Guido Graf. Nun nimmt dieser zu den Plänen Stellung und spricht auch über die medizinische Versorgung der Zukunft.

 

Bis 2035 eine Milliarde verbaut

Mittlerweile zieht sich das Projekt Neubau Wolhusen bereits zehn Jahre hin. Jetzt, da die Baubewilligung endlich vorliegt, könnte eine Beschwerde den Beginn aber weiter verzögern. «Das ärgert mich», betont ein sichtlich unzufriedener Graf. Denn das juristische Hickhack könnte bis zum Bundesgericht reichen und den für 2026 geplanten Bezug des Neubaus um weitere zwei Jahre hinausziehen. Der Luzerner Gesundheitsdirektor hingegen betont: «Jetzt muss gebaut werden.»

110 Millionen Franken kostet der Neubau des Luks Wolhusen. Diese Investition hat das Luks zu tragen. Kann jetzt nicht gebaut werden, wächst das Risiko, dass parallel Sanierungskosten finanziert werden müssen, da das 1972 erstellte Spitalgebäude in die Jahre gekommen und sanierungsbedürftig ist. Damit würde der Bau mit jedem Tag teurer, an dem er nicht bezogen werden kann. Und die Zeit drängt auch, weil an den Standorten Sursee und Luzern ebenfalls Neubauten anstehen. Bis 2035 will das Luks über alle Standorte rund eine Milliarde Franken investieren.

 

Megatrend Ambulantisierung

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Situation in der Gesundheitsversorgung stark verändert. Deshalb erklärt Guido Graf: «Das sehr dynamische und komplexe Umfeld des Gesundheitswesens verlangt im Kanton Luzern eine Neuausrichtung der Gesundheits- beziehungsweise der Spitalversorgung. Es gibt einen Megatrend hin zur Ambulantisierung.»

Und der CVP-Politiker untermauert die Aussage mit Zahlen. Lagen die ambulanten Kontakte im Luks Luzern 2017 noch bei rund 488’800, betrugen sie 2020 knapp 508’500. In Wolhusen verzeichnete man in denselben Jahren eine Zunahme von 62’000 auf gegen 67’500. Im Spital Sursee waren es 2017 etwa 81’900, 2020 fast 90’000.

Andere Verhältnisse bei den stationären Konsultationen: Da verzeichnete Luzern 2017 noch rund 29’300 Belegungen, 2020 sanken sie auf ungefähr 27’450. Ebenfalls zurück gingen sie in Wolhusen von 5100 (2017) auf 4700 (2020). Einzig in der Wachstumsregion Sursee stiegen die stationären Aufenthalte von 7476 (2017) auf 7658 (2020).

Weitere wichtige Entwicklungen im Gesundheitswesen sieht Graf beim Mangel an Fachkräften und bei der Digitalisierung. Zudem ist er überzeugt, dass Mindestfallzahlen kommen und die Qualitätsanforderungen weiter steigen. Diese Entwicklungen gelten aber gesamtschweizerisch.

Was heisst das nun für Wolhusen? Regierungsrat Graf sagt: «Wir bauen modular, damit das Gebäude stetig an aktuelle und zukünftige Entwicklungen im Gesundheitswesen und die Bedürfnisse der Region angepasst werden kann.» Er verneint allerdings, dass Wolhusen ein Abbau bevorsteht. «Es kommt zu einem Umbau.» Und aufgrund neuer Operationstechniken rechnet er – trotz des Bevölkerungswachstums und der demografischen Entwicklung – nicht mit einer Zunahme von stationären Patientinnen und Patienten.

Und der Gesundheitsdirektor erklärt auch: «Wir realisieren ein zukunftsgerichtetes, modernes Spital. Im Luks Wolhusen sollen weiterhin stationäre und ambulante Leistungen angeboten werden. Und da künftig die Post ambulant abgehe, «soll dieser Bereich ebenfalls ausgebaut und gestärkt werden.»

 

Lehren aus Pandemie gezogen

Heute verfügt das Spital Wolhusen über etwa 90 Betten, davon sind sechs Intensivbetten und ungefähr 30 für die Rehabilitation reserviert. Künftig sind ebenfalls rund 80 Betten geplant. Bei der Intensivüberwachungspflege ist allerdings vorgesehen, das Angebot innerhalb des Unternehmensnetzwerks zu erarbeiten und abzustimmen. Das interdisziplinäre Zentrum für Intensivmedizin am Luks Luzern gehört zu den grössten Intensivstationen der Schweiz.

Von der geplanten Umstrukturierung dürften eventuell auch die sechs Intensivplätze von Wolhusen betroffen sein. Aktuell hat das Luks zusammen mit den 22 in Luzern und sechs in Sursee total 34 zertifizierte Intensivplätze. Weiter verfügt im Kanton Luzern die Hirslanden-Klinik St. Anna noch über sechs und das Schweizerische Paraplegiker-Zentrum in Nottwil über 14.

Dass die Intensivpflegestation (IPS) im Zentrumspital Luzern ausgebaut wird, «ist unter anderem eine Lehre, die wir aus der Covid-19-Pandemie ziehen», erklärt Graf. «Es hat sich gezeigt, dass eine Konzentration der Kräfte sehr wichtig ist.» Auf diesem Gebiet besteht ein grosser Fachkräftemangel. «Da können wir es uns schlicht nicht leisten, viele kleine Einheiten zu betreiben.»

 

Neue Rega-Einsatzbasis

Das Wichtigste ist für den Gesundheitsdirektor aber, «eine wohnortsnahe Grundversorgung weiter und jederzeit zu gewährleisten». Ebenfalls bleibe das Notfallangebot in Wolhusen 365 Tage im Jahr bestehen. Es ist unter anderem auch in der Nacht mit einem Facharzt abgedeckt. Der veränderten Situation will man zudem mit dem Ausbau des Rettungsdienstangebots Rechnung tragen. Von einer neuen Rega-Einsatzbasis im Raum Entlebuch/Hinterland werden bei Bedarf Einsätze genauso ins Bernbiet geflogen. Sollte es nicht möglich sein, über die Luft zu retten, stehen bis zu drei Rettungsdienst-Fahrzeuge zur Verfügung.

Geburten sollen im Luks Wolhusen weiterhin möglich sein. Graf: «Oberste Priorität hat nach wie vor die Gesundheit von Mutter und Kind.» Zur Definition jener Eingriffe und internistischer Behandlungen, die künftig ebenfalls im Luks Wolhusen mit einem nachfolgenden stationären Aufenthalt möglich sein sollen, erstellt unter anderem das Luks Wolhusen in Zusammenarbeit mit den Hausärztinnen und Hausärzten der Region entsprechende Listen und überprüft diese periodisch. Wobei Graf darauf hinweist, dass in Wolhusen eine sehr gut ausgebaute Diagnostik vorgesehen ist: Medizintechnische Einrichtungen wie konventionelles Röntgen, CT, MRI und Endoskopie unterstützen die Behandlung mit der entsprechenden medizinischen Diagnostik.

Zudem ist eine teleradiologische Infrastruktur vorhanden, die in Kooperation mit dem Standort Luks Luzern eine Befundung ermöglicht. Ein künftiger Schwerpunkt ist eine ausgebaute Rehabilitation und eine Spezialisierung im Bereich Orthopädie.

 

Angebot nicht beliebig ausbauen

Heute liegt das strukturelle Defizit des Regionalspitals Wolhusen bei jährlich gut sieben bis acht Millionen Franken. Davon werden jedoch nur gut drei Millionen durch die Leistungen des Kantons gedeckt. Dieser hat zwar zugesichert, diese Leistungen zu erhöhen, um das Minus zu senken. Doch Graf stellt klar: «Wir bauen das Angebot jetzt nicht einfach beliebig aus, nur weil wir es momentan bezahlen könnten – insbesondere auch vor dem Hintergrund des guten Rechnungsabschlusses des Kantons Luzern von plus 212,5 Millionen Franken. Wir bestellen und bezahlen das, was den Bedürfnissen der Region respektive deren Bevölkerung, den aktuellen und künftigen Entwicklungen im Gesundheitswesen entspricht, realistisch ist und was auch qualitativ hochstehend angeboten werden kann.» Und Graf ist es «ein grosses Anliegen, dass man das, was man bestellt, ebenfalls zahlt». Dies sei aufgrund des guten Rechnungsabschlusses des Kantons aktuell ja auch möglich.

 

Spezialisiertes Zentrumsspital

Wobei der Luzerner Gesundheitsdirektor genauso sagt: «Die Finanzen sind nur ein Faktor.» Wichtiger sei die Anpassung an die moderne Medizin. Trotzdem müssten die Verantwortlichen die wirtschaftliche Seite auch mit ins Kalkül einbeziehen. So liege die Unterfinanzierung für das Gesamtunternehmen Luks, nebst den zu tiefen Tarifen, aktuell bei jährlich 30 Millionen Franken. Graf: «Somit müsste der Kanton Luzern – inklusive die fünf Millionen ungedeckter Kosten an das Luks Wolhusen – eigentlich rund 30 Millionen Franken pro Jahr an das Luks bezahlen. Leider vermisse ich hier aber bisher die Initiative des Kantonsrats.»

Deshalb soll in Zukunft nicht mehr an allen Standorten rund um die Uhr alles angeboten werden. Es erfolgt eine Koordination über den ganzen Verbund. «Was Sinn macht, bleibt vor Ort, was zu spezialisiert ist, wird im Zentrum behandelt», so der Gesundheitsdirektor. Die Mentalität einer «All-Inclusive-Versorgung» vor Ort sei fachlich und finanziell nicht mehr zukunftsträchtig, man müsse vielmehr das sicherstellen, was die Bevölkerung vor Ort brauche.

 

«Kostendruck entspannt sich auch künftig nicht»

Ihre Investitionen finanzieren die Luks-Spitäler gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG) selber. Der Kanton leistet hier keine entsprechenden Beiträge. Damit dies weiterhin möglich ist, geht Graf davon aus, dass der Kanton Luzern «beim Corona-bedingten Defizit bei der Rechnung 2020 aushelfen muss». Und weiter erklärt er: «Der Abschluss liegt zwar noch nicht vor: Ich gehe aber davon aus, dass das Luks aufgrund der Pandemie einen Verlust von 40 bis 50 Millionen Franken macht.»

In den Jahren 2012 bis 2015 konnte das Luks regelmässig Ebitda-Margen zwischen 9,3 und 11,3 Prozent ausweisen. Die Gewinne lagen zwischen 35 und 52 Millionen Franken pro Jahr. Seit 2016 nahmen die Ebitda-Marge und entsprechend auch der Unternehmensgewinn jedoch laufend ab. 2019 lag die Ebitda-Marge – also der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen – noch bei 5,4 Prozent. Damit war die Marge deutlich unter dem angestrebten und notwendigen Wert von zehn Prozent. So seien die Investitions- und Entwicklungsfähigkeit gefährdet und nicht mehr im geplanten und notwendigen Umfang gewährleistet, führt Graf aus. Wobei er auch sagt: «Diese Entwicklung ist schweizweit zu beobachten.» Die Ursachen hierfür liegen zum grössten Teil bei zu tiefen Tarifen im stationären und vor allem im ambulanten Bereich. Dazu kommen Mehrkosten wegen strengerer Vorschriften. Im stationären Bereich sind die Abgeltungen in den vergangenen Jahren sowohl für Allgemein- wie auch für Zusatzversicherte stets gesunken. Dieser Trend werde sich aller Voraussicht nach fortsetzen, vermutet Graf.

 

Höhere Qualität, weniger Ertrag?

Besonders stark wirkten sich die Eingriffe des Bundesrats in die ambulante Tarifstruktur aus. Der erste verursachte beim Luks Mindereinnahmen von jährlich rund sieben Millionen Franken, der zweite von etwa 20 Millionen. Strengere Vorschriften aus dem Arbeitsgesetz rufen seit 2016 pro Jahr Mehrkosten von rund 10 Millionen hervor.

Allein diese Massnahmen verschlechtern das Unternehmensergebnis seit 2014 – damals wurde das Spital Wolhusen geplant – um jährlich etwa 39 Millionen Franken. Und für die Zukunft sieht Graf die finanziellen Begebenheiten weiterhin sehr herausfordernd. «Es ist davon auszugehen, dass sich der Preis-, Kosten- und Margendruck nicht entspannen – im Gegenteil: Zudem steigen die Qualitätsanforderungen weiter, die Erträge allerdings nicht.»

 

Land-Spitäler mit anderen Angeboten

In Sursee will das Luks rund 200 Millionen Franken in einen Neubau investieren. Voraussichtlich 2026 soll begonnen werden, die Fertigstellung ist – von jetzt gerechnet – in zehn Jahren geplant. Auf das dortige Spital hätten die Wolhusen tangierenden Entscheide keine Auswirkungen, so Gesundheitsdirektor Guido Graf. Sursee sei eine Wachstumsregion im Kanton. Der Standort soll mit dem Neubau gestärkt werden. Dies sei durch eine koordinierte, abgestufte Versorgung möglich. «In diese Richtung gehen wir auch mit dem jetzt präsentierten Angebot in Wolhusen.»

Graf ist überzeugt, dass es auf der Landschaft künftig nicht mehr zwei Spitäler mit demselben Angebot braucht. Während in Wolhusen ein Schwerpunkt auf Orthopädie und Rehabilitation gesetzt wird, ist das in Sursee die Viszeralchirurgie mit einem Adipositaszentrum. Beide Landspitäler sollen innerhalb der Gruppe eng zusammenarbeiten.

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