Das Schweizer Gesundheitswesen gehört laut dem international vergleichenden HAQ-Index (Healthcare Access and Quality Index) zu den fortschrittlichsten der Welt. Nicht nur ist es dem Schweizer Patienten möglich, sich verarzten zu lassen, sondern auch die Qualität der Behandlung zeigt ein besonders hohes Niveau. Wundreinigungen mit Brunnenwasser, ein einziger Chefarzt mit alleiniger Verantwortung für über 600 Patienten oder Strom für nur zwei Stunden pro Tag sind in einem Schweizer Spital unvorstellbar. Nicht so im südostafrikanischen Staat Malawi. Für die 27-jährige Hildisriederin Angela Pfister wurden solche fraglichen Umstände für rund vier Monate zum Alltag, denn von Oktober 2017 bis Januar 2018 leistete sie einen freiwilligen Arbeitseinsatz als Krankenschwester im Spital der Kleinstadt Phalombe.
Wunsch zu helfen
«Eigentlich habe ich schon lange den Wunsch gehabt, etwas in diese Richtung zu machen», erzählt Pfister von den Anfängen ihres Projekts. Einen Aufenthalt, der durch eine grosse Organisation koordiniert wird, sei für sie jedoch nie eine Option gewesen. Aus der Idee wurde eines Tages Wirklichkeit, als sich durch Bekannte der Kontakt zum Verein «Pro Phalombe», der sich seit 26 Jahren für das Phalomber Spital einsetzt, ergab. Kurze Zeit später begleitete Pfister ein Mitglied des Vereinsvorstandes nach Phalombe und nahm nach etlichen mühseligen Administrationsabläufen für Visum und Bewilligungen die Arbeit im Spital auf. Hauptsächlich mit Händen und Füssen konnte sie sich einiger-massen gut mit den Einheimischen verständigen.
Alles ist anders
Zwar war Angela Pfister dank ihrer bisherigen Arbeit als Pflegefachfrau bereits bestens über die Abläufe und Behandlungsmethoden in einem Spital im Bild, jedoch war in Phalombe viel Flexibilität bei der Arbeit gefragt. Unter anderem sei besonders die hierarchische Struktur des Krankenhauses gewöhnungsbedürftig gewesen, sagt die gebürtige Hildisriederin. Ein einziger Arzt trägt in Phalombe die Hauptverantwortung für 600 Patienten. Seine helfenden Hände, die «Medical Supporters» und Krankenschwestern, folgen nur seinen Befehlen und behandeln die Patienten meist nie aus Eigeninitiative: «Man hat einen Denker und alle andern watscheln ihm wie Enten nach.» Das Prinzip der Pflege, wie man sie in der Schweiz kennt, gibt es in Phalombe allgemein nicht. Es sind die Verwandten der Patienten, die sie waschen oder Verbände wechseln. Hat man als Patient niemanden, der für einen sorgt, ist man auf sich alleingestellt.
Auch die Arbeit mit beschränkten Mitteln war nicht immer einfach, denn da weder viele Medikamente noch brauchbare Patientenakten vorhanden waren, galt es immer wieder zu improvisieren – manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Die ganzen Prozesse wurden durch den Mangel an Wasser und Strom zusätzlich erschwert. Malawis Stromversorgung ist nur mittels eines einzigen Wasserkraftwerks, welches zu Trockenzeiten überhaupt nicht betrieben werden kann, geregelt. Daher musste man sich im Spital meist mit einer bis zwei Stunden Strom pro Tag begnügen – für ein Krankenhaus eine echte Herausforderung.
Kindertod und Schwangerschaft
Während ihrer Zeit im Spital Phalombe erlebte die Volontärin Erschreckendes, aber auch viel Herzerwärmendes. Es sei beispielsweise unglaublich prägend gewesen, zu sehen, wie viele Kinder dort tagtäglich sterben und wie sie danach behandelt werden, erzählt Angela Pfister betroffen: «Beim Tod von Neugeborenen wickelt man sie in ein Tuch und ‘stapelt’ sie in einer Kiste in einer Ecke des Gebärsaals.» Was die Schweizerin als überaus herzlos ansah, ist für die Bewohner Phalombes Normalität, denn durch die hohe Kindersterblichkeitsrate gehört dies schon fast zum Alltag und die Anteilnahme bleibt aus. Hinzu kommt die für uns ungewohnte Gesinnung, dass das Leben eines Menschen umso mehr wert ist, je älter er ist. «Am Ende meines Aufenthalts gab es dann aber zum Glück die Kiste mit den toten Neugeborenen nicht mehr», berichtete Pfister stolz, denn sie konnte zu einer angebrachteren Lösung überzeugen.
Sie wurde sehr stutzig, dass die Erklärungen einer Nonne, dass eine Schwangerschaft dadurch entstehe, dass ein Kind durch die Luft schwebe und in den Bauch der Mutter fliege, bei den Bewohnern Phalombes durchaus Gehör finden konnten. Ebenso irritierend war für sie auch ihr Sonderstatus als Europäerin, der dazu führte, dass man sich teils vor ihr verneigte oder gar ihre Füsse küsste. Kein Wunder fühlte Pfister sich, als stecke sie in einem anderen Jahrhundert fest.
Trotz allem erlebte die Pflegefachfrau ihre Mitarbeitenden und Patienten als grundgute Menschen, die einen schnell in ihrer Gruppe akzeptieren. Besonders die Wertschätzung ihrer Arbeit ist ihr aufgefallen: «In Phalombe erfuhr ich eine unendliche Dankbarkeit für meine Arbeit als Krankenschwester. Auch nur schon das Grüssen oder einem Kind die Hand aufzulegen, wurde sehr geschätzt.»
Bleibende Erinnerung
Der Einsatz in Afrika war für Angela Pfister ein Projekt mit bleibendem Charakter. Nicht nur verdeutlichte ihr der Aufenthalt, weshalb man für sein Leben viel mehr Wertschätzung zeigen sollte, sondern gab ihr auch Anstoss, sich weiterhin für das Spital einzusetzen. Heute ist sie ebenfalls ehrenamtlich im Vorstand des Vereins «Pro Phalombe» vertreten und hilft dabei, mit neuen Projekten und Aktionen das afrikanische Spital zu unterstützen.