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«Standortnachteile stossen sauer auf»

Geri Wyss 23. Dezember 2020

Bald gelten bezüglich des Phosphors in der Landwirtschaft im Zuströmbereich der Seen strengere Regeln. Der oberste Luzerner Landwirt, Markus Kretz, nimmt Stellung dazu, warum die Bauern damit Mühe haben und welchen Beitrag sie von der Allgemeinheit erwarten.

Mit der neuen Phosphorverordnung sind die Landwirte ab 1. Januar 2021 gehalten, nur noch 90 Prozent des Phosphorbedarfs der Pflanzen zu decken. Damit will der Kanton erreichen, dass die Überdüngung der Böden abnimmt und weniger Phosphor in den Sempacher-, Hallwiler- und Baldeggersee gelangt. Den verschärften Bestimmungen zugrunde liegt unter anderem ein tieferer Zielwert für den Phosphorgehalt – im Sempachersee beträgt dieser neu 15 statt wie bisher 30 Milligramm pro Kubikmeter Wasser. Die Seite der Naturschützer ist der Meinung, die Kantonsregierung mache noch immer zu wenig für die Seen und hat entsprechend eine Aufsichtsbeschwerde beim Regierungsrat eingereicht. Auf der anderen Seite stehen die Landwirte, von denen viele Mühe mit den Massnahmen haben. Beim Kantonsgericht ist eine Beschwerde von rund 150 Landwirten gegen die neue Phosphorverordnung hängig. Seit diesem Herbst präsidiert der Schongauer Markus Kretz den Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV). Er sagt, warum die neuen Bestimmungen viele Landwirte unzufrieden macht, warum er das Wegführen von Gülle unterstützt und was er von tieferen Tierbeständen hält.

 

Die neue Phosphorverordnung will die Gesundung des Sempachersees und der beiden anderen Luzerner Mittellandseen weiter vorantreiben. Warum erachten viele Landwirte die nun vorliegenden Bestimmungen als unangemessen?

Ab dem 1. Januar wird nun der Seevertrag für alle Betriebe zwangsverordnet. Die Auflagen stellen vor allem auf Verbote und Einschränkungen ab. Mit der neuen Phosphorverordnung endet das Erfolgskonzept Seevertrag auf freiwilliger Basis. Es steht aber ausser Zweifel, dass auch die Landwirte einen gesunden See wollen.

 

Welche Einschränkungen warten konkret auf die Landwirte im Zuströmbereich der Seen?

Es dürfen nur noch maximal 90 Prozent des Nährstoffbedarfs der Pflanzen auf die Felder ausgebracht werden, was zu grossen zusätzlichen Güllenwegfuhren führt. Weiter wird mineralischer Phosphor-Dünger verboten, Güllengehalte müssen berechnet werden und eine Betriebsentwicklung wird infolge der Beschränkung der Grossvieheinheiten quasi unmöglich. Diese Standortnachteile stossen bei vielen Landwirten im Zuströmberech der Luzerner Mittellandseen sauer auf.

 

Wo soll man Ihrer Ansicht nach ansetzen, um die immer noch zu hohen Frachten in den Sempachersee und die beiden anderen Mittellandseen weiter zu reduzieren?

Die Landwirtschaft wird auch in Zukunft ihren Beitrag mit einer nachhaltigen Landwirtschaft bei der Seesanierung leisten. Man erwartet aber im Gegenzug, dass sich die Bevölkerung als Mitverantwortliche des Problems nicht aus der Verantwortung zieht. Ich wehre mich gegen die einseitige Verurteilung der Landwirtschaft in dieser Fragestellung.

 

Was liegt denn bei der Bevölkerung bezüglich der Phosphorfrachten im Argen?

Es ist nicht so, dass die Problematik mit den Siedlungsabwässern gelöst ist. Einerseits sind diese nach wie vor im Seesediment eingelagert, andererseits gelangen mit der Regenwasserüberlastung oder mit der Strassenentwässerung immer noch Frachten in den See. Hier erwarten wir eine symmetrische Betrachtungsweise wie bei der Landwirtschaft, mit der entsprechenden Kommunikation. Die Landwirtschaft hat und wird auch künftig ihren Beitrag für die Seegesundung leisten. Im Gegenzug erwartet man von der Regierung, dass die maximalen Ausbaustufen bei den Kläranlagen, Regenentlastungen und Trennsystemen bei den Strassenentwässerungen auch mit Elan angegangen werden.

 

Eine Reduktion der Tierbestände würde mit Bestimmtheit eine Verbesserung bringen, weil weniger Gülle anfiele. Wie stehen Sie als Bauernpräsident dazu?

Bezüglich der Phopshorproblematik stimmt diese Aussage so nicht. Betriebe, bei denen mehr Hofdünger anfällt, als ihn die Kulturen benötigen, führen diesen ja weg. Weiter gilt es zu bedenken, dass der Kanton Luzern ein bedeutender Agrarkanton ist, der wertschöpfungsmässig rund 10 Prozent der Schweizer Landwirtschaft ausmacht. Gut 13’000 Personen sind auf den 4500 Landwirtschaftsbetrieben tätig. Der Produktionswert liegt bei rund einer Millliarde Franken pro Jahr, dabei stammen rund 80 Prozent aus der tierischen Veredelung. Im Kanton Luzern ist heute jeder elfte Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig.

 

Sie sind somit gegen tiefere Tierbestände?

Die Tierbestände im Kanton Luzern sind in den letzten Jahren in der Summe rückgängig. Es gilt hier festzuhalten, dass jeder Tierhalter im Kanton Luzern, genau wie in anderen Kantonen, für seinen Stall ein Bewilligungsverfahren durchlaufen hat und diese Bauten gesetzeskonform erstellt wurden. Weiter erfüllt jeder Landwirt den ökologischen Leistungsnachweis, das heisst, dass Betriebe, die zu viel Nährstoffe produzieren, Gülle oder Mist an tierextensivere Betriebe oder Biogasanlagen abgeben. Tierabbau ist für den Verband nach wie vor kein Thema, vielmehr gilt es künftig technische Möglichkeiten im Bereich Ressourcenschutz zu prüfen und wenn wirtschaftlich tragbar umzusetzen.

 

Woran denken Sie bei den technischen Möglichkeiten konkret?

In dieser Fragestellung ist es wichtig, dass Forschung und Landwirtschaft intensiv zusammenarbeiten. Es stehen aber schon bald Stall- und Güllenaufbereitungssysteme, aber auch neue Ausbringtechniken vor der Marktreife. Diese gilt es zu prüfen und wenn wirtschaftlich tragbar umzusetzen.

 

Wie ökologisch sinnvoll ist es eigentlich, dass aktuell Betriebe mit zu viel Gülle einen Teil davon wegführen und dafür Fahrten in Kauf nehmen müssen?

Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren spezialisiert. Einige Betriebe setzten auf Tierhaltung, andere auf Ackerbau und wieder andere auf Spezialkulturen. Die Ackerbauern liefern Getreide für die Tierernährung und im Gegenzug übernehmen sie den hochwertigen Mehrnährstoffdünger Gülle. So muss weniger Phosphor-Handelsdünger eingesetzt werden. Phosphordünger ist eine endliche Ressource, von daher ist dieses Vorgehen sinnvoll.

 

Wie steht der Luzerner Bauernverband zum tiefer angesetzten Zielwert von 15 Milligramm Phosphor pro Kubikmeter Wasser?

Die Landwirtschaft hat die Zielwerte bereits zweimal erreicht. Es ist nicht fair, dass die Zielfahne bei Erreichung immer wieder nach vorne gesteckt wird. Bei der IG Mittellandseen, die in nächster Zeit von betroffenen Bauern gegründet wird, geht man nicht davon aus, dass der neue Zielwert realistisch ist und von den Bauern alleine erreicht werden kann. Zu hoch sind dafür auch die eingeleiteten Ara-Abwässer und die Deposition von Phosphor aus der Atmosphäre in den See.

 

Wären Betriebsumstellungen weg von der Milch- oder Fleischproduktion nicht auch ein Lösungsansatz für eine zukunftsträchtigere, nachhaltigere Landwirtschaft?

Ein stetiger Strategiewechsel ist auch immer mit grossen Kosten verbunden. Aus diesem Grund macht es sicher Sinn, die bestehenden Betriebszweige zuerst intensiv zu analysieren und wenn möglich zu optimieren. Ob dann zum Beispiel expandieren, spezialisieren, Direktvermarktung, überbetriebliche Zusammenarbeit, Spezialkulturen, Gnadenhof oder sogar Nebenerwerbslandwirtschaft der richtige Weg ist, kommt auf die Betriebsleitung und den Standort des Betriebs an. Diese Frage kann nicht allgemein beantwortet werden.

 

Nebst dem Phosphor hat die Umwelt auch mit einer hohen Ammoniakbelastung, herrührend aus der Landwirtschaft, zu kämpfen. Was tun die Bauern diesbezüglich, um die Situation zu verbessern?

Es ist schon viel getan worden, wenn man etwa an das schonende Ausbringen der Gülle denkt. Mit dem Ammoniakverlust wird sich die Luzerner Landwirtschaft die nächsten Jahre intensiv auseinandersetzen. So läuft zum Beispiel im Frühling ein Ammoniakprojekt an unter der Führung des Luzerner Bäuerinnen und Bauernverbands, in enger Zusammenarbeit mit der kantonalen Dienststelle Landwirtschaft und Wald und der Forschungsanstalt Agroscope.

 

Wie gehen Sie persönlich auf Ihrem Betrieb in Schongau mit der Schadstoffproblematik um?

Ich bin Mitglied einer Betriebsgemeinschaft, die sich bereits seit vielen Jahren am freiwilligen Programm des Phosphorprojekts beteiligt. Gegen die Zwangsverordnung und die zusätzlichen Verbote habe auch ich mich vehement gewehrt. Wir handeln auf unserem Betrieb aus Eigeninteresse, denn wir wollen, dass die anfallenden Nährstoffe schliesslich auch von den Pflanzen aufgenommen und die Kreisläufe geschlossen werden. Dabei gilt es vor allem bei der Düngung im Einklang mit der Natur und der Witterung zu sein, so dass Abschwemmungen verhindert werden können. Daneben betreiben wir einen pfluglosen Ackerbau an Hängen und bewirtschaften entlang von Bächen und Einlaufschächten extensiv.

 

Welches sind die Stärken der Schweizer Landwirtschaft?

Die Schweiz gehört zu den Ländern mit den höchsten Auflagen, dem strengsten Tierschutzgesetz und der höchsten Tiergesundheit. Zudem gibt es kein zweites Land, das eine Höchsttierbeschränkung kennt. Massentierhaltung gibt es in der Schweiz daher schlicht und einfach nicht. Wir sind in der Lage, die Wege von der Nahrungsmittelproduktion zum Konsumenten kurz zu halten.

 

Kann und soll sich die Schweizer Landwirtschaft überhaupt mit der europäischen Landwirtschaft messen, da die Marktbedingungen doch ganz anders sind?

Leider orientieren sich unsere Marktpreise oft am Ausland, obwohl wir zu den Ländern mit den tiefsten Nahrungsmittelpreisen weltweit im Vergleich zum Lohnfranken gehören. Aktuell werden nur noch gerade sechs Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke ausgegeben.

 

Auch darum brauchts eine starke und wettbewerbsfähige Landwirtschaft?

Ja, wir sind angehalten, zur Schweizer Landwirtschaft Sorge zu tragen. Gerade in der aktuellen Zeit von Corona wird vielen wieder bewusst, dass das Recht auf Nahrung zum Grundbedürfnis jedes einzelnen gehört. Daher darf der Selbstversorgungsgrad der Schweiz, der nur noch gut 50 Prozent beträgt, nicht mehr weiter sinken!

 

Der 44-jährige Markus Kretz ist Ende September von den Delegierten des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands als neuer Präsident gewählt worden. Er bewirtschaftet zusammen mit drei Partnern in Schongau eine Betriebsgemeinschaft mit 61 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche. Daneben arbeitet er in einem Teilpensum als Berater bei einer Futtermühle.

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