Skip to main content Skip to page footer

Suchformular

Anmeldung wird geprüft

Region

«Wichtig ist, eigenständig zu bleiben»

Red 28. Juli 2021

Diese Zeitung erreicht Nationalrat Franz Grüter telefonisch in den Ferien. Er weilt mit seiner Frau Luzia auf der österreichischen Seite des Zugspitze-Gebiets im Wohnmobil auf einem Campingplatz. Dort feiert er am 29. Juli seinen 58. Geburtstag.

Franz Grüter, Gratulation zum Geburtstag. Warum machen Sie in Österreich Ferien?

Ich wollte schon lange das Zugspitze-Gebiet besuchen, gehe aber nachher noch eine Woche in die Walliser Berge.

Können Sie während der Ferien abschalten?

Ja, aber ich bin oft online. Es läuft aber wenig.

Abschalten heisst aber auch offline.

Das nennt sich wohl «Déformation professionnelle». Ich muss mich etwas an der Nase nehmen und versuchen, zum Beispiel einen halben Tag offline zu bleiben.

Sind Sie am 1. August wieder in der Schweiz?

Nein. Den Nationalfeiertag feiern wir auf dem Campingplatz mit dem Schweizer Fähnli. Das passt, weil ich neu in der Aussenpolitik tätig bin.

Seit mehr als einem Jahr fungieren Sie als Stabschef und Vizepräsident der SVP Schweiz. Was erreichten Sie seither?

Der Stabschef ist eine neu geschaffene Stelle, um den Parteipräsidenten zu entlasten. Da ich aus zeitlichen Gründen für das Parteipräsidium absagen musste, schlug ich vor, die Aufgabe breiter zu verteilen. Weil für uns ein Co-Präsidium nicht in Frage kam, nannte die SVP Schweiz das neu geschaffene Amt Stabschef.

Und was erreichten Sie in diesem Amt?

Ich bin viel unterwegs und besuchte bereits alle 26 Kantonalparteien persönlich. Nach den Sommerferien gehe ich zu den Parteien, bei denen bald Wahlen anstehen. Dabei kann ich hinter den Kulissen meine Erfahrungen aus fünf Jahren Präsident der SVP Kanton Luzern einbringen.

Ist das nicht sehr zeitintensiv?

Doch, aber ich bin gerne bei den Leuten. Und diese Aufgabe hat mindestens dazu geführt, dass wir Wahlen wiedergewannen. In den vergangenen drei Jahren ist sehr viel passiert in eine gute Richtung.

Warum sagten Sie Nein zum Parteipräsidenten?

Wenn ich Präsident geworden wäre, hätte ich verschiedene bisherige Aufgaben wie beispielsweise bei Green aufgeben müssen. Als Parteipräsident muss man total frei sein, um zu agieren. Das wollte ich nicht. Das Amt ist auf mich zugeschnitten.

Wie motivieren Sie Ihre Mitglieder, ein Amt zu übernehmen?

Die Motivation ist sehr stark themengetrieben. 2015 fuhren wir einen historischen Sieg ein wegen der Flüchtlings-Thematik. 2019 kam die grüne Welle. Das Pendel der Zeit schwenkte auf die andere Seite. Seit Ausbruch der Coronakrise kehrt die Betroffenheit wieder. Beispiele sind die Agrarinitiativen, das CO2-Gesetz oder die Corona-Politik. Sehr viele Leute sind unzufrieden. Seit rund anderthalb Jahren haben wir einen enormen Mitgliederzuwachs bei der SVP. Wir sehen, dass die Landbevölkerung wieder viel mehr an die Urne geht. Bei der letzten Abstimmung betrug die Stimmbeteiligung auf dem Land in gewissen Gemeinden bis zu 80 Prozent.

Sehen Sie da schon Wahlthemen für 2023?

Ich lernte in der Politik, dass es immer wieder kurzfristige, kaum planbare Ereignisse gibt, die Wahlen beeinflussen. Ob die Corona-Politik in zwei Jahren immer noch Thema ist, kann ich nicht sagen.

Es fällt auf, dass in Sursee die SVP zwar den Wähleranteil stabil hält, aber keine Personen hat, die für Gremien gewählt werden. Gibt es dazu Gründe?

Ich würde das etwas verallgemeinern und nicht nur auf Sursee beziehen. In urbaneren Gebieten wie Sursee ist es für uns schwieriger. Unsere Stammlande sind die Landbevölkerung. Dort gelang es uns in den letzten Jahren sehr gut, Leute in die Gemeindeexekutive zu bringen.

Können wir über Sursee sprechen?

In Sursee ist ein Generationenwechsel im Gang. Am Ende des Tages machen es Köpfe aus. Ich hoffe, dass es auch in Sursee gelingt, eines Tages in der Exekutive zu sitzen.

Wechseln wir das Thema. Sind Sie geimpft?

Ja, die ganze Familie impfte sich freiwillig. Das war bei uns keine Frage, weil wir eine Tochter haben, die einen Herzfehler und mehrere Operationen hinter sich hat. Wir impften uns, um uns nicht innerhalb der Familie anzustecken.

Wie beurteilen Sie die Pandemie-Politik des Bundes?

Wenn der Staat Firmen schliesst und niemand mehr arbeiten darf, muss er auch Entschädigungen zahlen. Das ist völlig unbestritten und sonnenklar. Leider hat man aber im Covid-Gesetz verschiedene Sachen vermischt. Neben den Entschädigungen regelt das Gesetz auch Kompetenzen und Sonderregelungen. Das Parlament darf aber nicht völlig ausgeschaltet werden. Jetzt unterzeichneten innerhalb von vier Wochen über 180’000 Personen das Covid-Referendum. Ich bin gespannt, welche Parole unsere Partei fasst. Ich habe zwei Seelen in meiner Brust. Die Entschädigungen müssen auf jeden Fall für die Firmen möglich sein.

Was dachten Sie, als Sie die 10’000 Fans sahen, die den FCL-Cupsieg in Luzern feierten?

Meine Frau Luzia verstand das überhaupt nicht. Ich hatte ein gewisses Verständnis, dass die FCL-Fans nach so vielen Jahren das Bedürfnis hatten, den Sieg zu feiern. Aus reiner Covid-Sicht war es aber sicher nicht ideal, keine Masken zu tragen.

Mit Corona steigt parallel die Zahl der Cyber-Angriffe. Können Sie als IT-Spezialist Unternehmen Ratschläge geben?

Das ist leider richtig. Fast 80 Prozent der KMU sind in irgendeiner Form schon von Cyber-Attacken betroffen gewesen. Das hat Dimensionen angenommen, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren. Sehr oft geht es um Geld und Erpressung. Alle Firmen müssen sich heute schützen. Verschiedene Bestrebungen sind im Gange.

Welche Bestrebungen?

Firmen können sich zum Beispiel prüfen lassen und ein sogenanntes Cyber Seal bekommen, wenn sie genügend geschützt sind. Wichtig ist, dass die Firmen sensibilisiert sind. Dabei geht es neben dem Technischen auch um die Schulung der Mitarbeiter. Vielfach werden E-Mail-Anhänge geöffnet oder Links auf Pishing-Sites angeklickt. Das Thema wird unsere Gesellschaft, Private wie Firmen, in den nächsten Jahren wahrscheinlich noch zunehmend beschäftigen. Das ist leider kein erfreuliches Kapitel.

Muss die Politik noch aktiver werden?

Trotz grosser Verbesserungen seit ich 2015 in den Nationalrat kam geht diese Art von Cyber-Krieg immer weiter. Wir müssen weiter wachsam sein und die Angriffe beobachten. Der Bund hat seit wenigen Jahren ein gut eingespieltes nationales Cyber-Sicherheits- und -Lagezentrum.

Was wollen Sie bis Ende 2021 politisch bewegen?

Momentan bin ich Vizepräsident der aussenpolitischen Kommission im Nationalrat. Im Januar übernehme ich das Präsidium, das bis zu den Wahlen 2023 dauert.

Warum wechselten Sie die Kommission?

Vorgesehen war, dass ich weiterhin in der Finanzkommission bleibe. Anfang Legislatur rief mich unser Fraktionschef Thomas Aeschi an und fragte mich, ob ich Interesse am Präsidium der aussenpolitischen Kommission hätte. Die SVP hat das zugute. Er suchte jemanden mit internationalen Erfahrungen sowie Englisch- und Französisch-Kenntnissen. Ich sagte zu und habe jetzt Freude an dieser Aufgabe. Das Amt gibt aber auch viel Arbeit.

Ist jetzt Finanzpolitiker Franz Grüter ausschliesslich Aussenpolitiker?

Ja. Die Aussenpolitik hat auf den ersten Blick weniger Ausstrahlungskraft, aber sie ist für die Schweiz sehr wichtig. Die Beziehungen zu den drei wichtigsten Handelspartnern Europa, USA und China beschäftigen die Kommission stark.

Was steht aktuell an?

Zum Glück ist das Rahmenabkommen mit der EU vom Tisch. Wir schauen jetzt, wie es weitergeht mit Europa. Das Verhältnis muss geklärt werden. Dann kommt im August die Kohäsions-Milliarde in unsere Kommission. Ich hoffe, dass wir nicht ohne Gegenleistung zahlen.

Können Sie skizzieren, wie das Verhältnis zur EU künftig aussehen könnte?

Wir wollen und müssen mit der EU gute Beziehungen pflegen. Gleichzeitig dürfen wir aber die Schweiz nicht an eine Institution anbinden, in der wir automatisch Recht übernehmen müssen. Wir sollten uns – zuerst muss sich der Staub nach sieben Jahren Verhandlungen legen – wieder mit der EU an den Tisch setzen. Dann wird sich das Verhältnis normalisieren, denn die EU hat auch ein Interesse, mit der Schweiz gut zusammenzuarbeiten. Die EU sollte merken, dass die ewigen Piesackereien gegen die Schweiz kontraproduktiv sind. Wichtig ist, dass wir eigenständig bleiben.

Schon gelesen ?

142365_142459.jpeg

Region

Traumhafter Juni gefolgt von regnerischem Juli

Marion Kaufmann 17. September 2025
142079_142084.jpeg

Region

Ein Einblick in die Welt der «Hölzigen»

Flavia Rivola 17. September 2025
141623_141639.jpeg

Region

«Kultur Nottwil» feiert 50-Jahr-Jubiläum

Michael Hausheer 11. September 2025