Seit vergangener Woche ist die interaktive Ausstellung «Tour d’Horizon – Die Schweiz in 20 Jahren» im Verkehrshaus offen. Sie zeigt: Die Erwartungen der Bevölkerung sind hoch. So möchte eine Mehrheit 2040 im näheren Umkreis des Wohnorts arbeiten, einkaufen und die Freizeit verbringen können.
Individuell fahren ist gefragt
Auf den ersten Blick überraschend ist das Bedürfnis der Bevölkerung aus Stadt und Land nach dem motorisierten Individualverkehr. Anders als die von Städten verfolgte Verbannung des Autos aus dem Zentrum favorisieren die Umfrageteilnehmer das Auto, das Motorrad und den Roller vor dem öV. Erklären lasse sich das «einerseits mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit, andererseits mit der rasanten Entwicklung alternativer Antriebe, die den motorisierten Verkehr aus ökologischer Sicht wieder attraktiver werden lassen», erklärte Kurt A. Zurfluh, Geschäftsführer des Zentralschweizerischen Baumeisterverbands.
«Der öV wird bis 2040 stark ausgebaut. Vielleicht erhält er sogar eine Priorisierung auf den Strassen in den Innenstädten», erzählte Reto Birrer, Präsident Baumeisterverband Luzern, an der Präsentation der Umfrageresultate. Das Verkehrsaufkommen beim Individualverkehr werde aber mit diesen Angeboten wohl kaum zurückgehen. «Der Verkehr wird zunehmen, da der Grossteil der Gesellschaft seine Freiheiten nicht einschränken und auch in Zukunft unabhängig mobil bleiben will.»
Den Verkehr gezielt lenken
Vielleicht sei es nun an der Zeit, mittels Road Pricing eine gezielte Lenkung des Verkehrs anzugehen, erklärt Reto Birrer. So können der Verkehr räumlich und zeitlich besser auf die zur Verfügung stehende Strassenfläche und das Angebot des öffentlichen Verkehrs abgestimmt und eine optimale Nutzung der bestehenden Verkehrsinfrastrukturen ermöglicht werden. «Dabei werden gleichzeitig der Bedarf nach kostenintensiven Neubauten verringert und finanzielle Mittel für Erstellung, Unterhalt und Betrieb von Verkehrsinfrastrukturen generiert», führt Reto Birrer aus.
Zur Aussage der steigenden Verkehrszahlen passt die steigende Bedeutung, schnell, einfach und auf direktem Weg in die Berge und zu den Schweizer Ferienorten zu gelangen, wie aus der Umfrage hervorging.
Verdichtung ja, aber
Die dritte Etage des Zukunftsturms behandelt die Urbanisierung. Dazu äusserten die Umfrageteilnehmer Widersprüchliches: Auf der einen Seite fordern viele eine Verdichtung in bestehenden Bauzonen in Stadt und Agglomeration. Andererseits bevorzugen Herr und Frau Schweizer nach wie vor das Einfamilienhaus und 3- bis 4,5-Zimmer-Wohnungen in Mehrfamilienhäusern mit einer Wohnfläche zwischen 80 und 120 m2.
Dazu ergänzte Kurt A. Zurfluh: «Wenn man die Gebäude in der Schweiz um ein Geschoss aufstockt, könnte das Land eine Million zusätzlicher Bewohner aufnehmen, ohne dass ein einziger Quadratmeter zusätzliches Bauland erforderlich wäre.» Andere klimafreundliche Ansätze seien die Sanierung und der Umbau sowie das Ersetzen bestehender Bauten.
Gebäudepark ist energieintensiv
Zu bedenken gab er, dass der Gebäudepark aktuell 45 Prozent des gesamten Energieverbrauchs der Schweiz und mehr als einen Viertel der CO2-Emissionen ausmache. «Damit wird deutlich, dass der Hochbau das grösste Potenzial aufweist, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen.»
Um Verdichtung und Lebensqualität zu vereinbaren, so Zurfluh weiter, müssten allerdings einige Hindernisse bei der Modernisierung des Gebäudeparks aus dem Weg geräumt werden. Dazu gehöre etwa, dass Baubewilligungsprozesse vereinfacht oder Beschwerdeverfahren besser strukturiert und beschleunigt würden. Zudem widersprächen die Bestimmungen in Sachen Lärmschutz dem Prinzip der Verdichtung. Auch die Regeln des Heimatschutzes innerhalb der Bauzone seien oft kontraproduktiv.
Kaum ein Wandel auf dem Land
Reto Birrer indessen glaubt nicht so recht an einen grossen Wandel in den kommenden 20 Jahren auf der Landschaft. Der Knutwiler sagte: «Die Dorfbilder werden bis 2040 nicht komplett anders aussehen.» Da niemand gerne sein Wohneigentum aufgebe, würden die Einfamilienhaus-Quartiere auch in naher Zukunft so bestehen und nach Möglichkeit innerhalb der Familien weitergegeben werden.
Der Baumeister-Präsident hat für städtischere Gebiete eine andere Prognose: «Einige Quartiere, mit Blick nach Sursee, könnten bis in 20 Jahren zurück- und neu gebaut sein.»
Zur zwar gewollten, aber hindernisreichen Verdichtung sagt er: «Der immer höher schnellende Preis für Wohneigentum wird ein Haupttreiber der Verdichtung.» Schliesslich wirft er den Ball den Behörden zu: «Die Hürden, die bei der Realisierung von verdichtetem Bauen oft auftauchen, fordern eine verstärkte Aufklärungsarbeit der zuständigen Behörden im Rahmen der Raumplanung.»