Er ist 28 Jahre jung, studierter Elektroingenieur und entspricht eigentlich nicht dem Bild, das sich einem beim Stichwort «Jäger» aufdrängt. Cornel Emmenegger wohnt in Sempach, ist in Eich aufgewachsen, Jahresgast bei der Jagdgesellschaft Eich und hat diesen Herbst den Jagdfähigkeitsausweis erlangt. Im Gespräch räumt er mit Vorurteilen auf und untermauert die Wichtigkeit eines fortschrittlichen Jagdwesens.
Cornel Emmenegger, wie wurde Ihr Interesse an der Jagd geweckt? Und wann haben Sie sich entschlossen, selber Jäger zu werden?
Ersten Kontakt hatte ich durch einen Kollegen. Danach habe ich einige Jahre als Treibergast an der Jagd in Eich teilgenommen. Gegen Ende 2018 habe ich mich dann entschieden, die Jagdprüfung abzulegen. Einerseits war es dasErlernen eines sehr spannenden Handwerks, das seit Jahrhunderten ausgeführt wird und sich stetig wandelt, das mich reizte, andererseits ist für mich als bewussten Fleischkonsumenten die Jagd eine spannende Alternative. Es gibt wohl kein Fleisch, das so lokal, resourcenschonend und mit wenig menschlichem Eingreifen produziert wird wie Wild.
Wie muss man sich diesen Prozess bis zum Jagdfähigkeitsausweises vorstellen? Wie lange dauert er?
Im Normalfall dauert er zirka ein Jahr von April bis April. Dieses Jahr wurden der Kurs jedoch im März unterbrochen und die Prüfungen erst Ende August beziehungsweise Anfang September abgehalten. Viele Leute stellen sich die Jagdausbildung falsch vor. Man muss mehr als nur einen Fuchs von einem Reh unterscheiden können. Nebst derAusbildung an der Waffe mit einigen Kurstagen oder -abenden und der Teilnahme am Jagdbetrieb im «eigenen Revier» von Oktober bis November stehen auch diverse Kursabende sowie einige Ganztageskurse im BBZN Sursee an. Die fünf Fächer, die im Frühjahr schriftlich und mündlich geprüft werden, sind sehr umfangreich. In der
Wildtierbiologie gilt es, detaillierte Kenntnisse von Lebensraum, Verhalten, Fortpflanzung, Ernährung von relevanten Wildarten (zirka 15 jagdbaren und nicht jagdbaren Arten) zu erlangen. Auch das
Erkennen von über 50 weiteren Tieren (Präparaten), insbesondere Enten, Vögeln, Nagern, und die Erkennung von über 20 Tier- und Vogelstimmen gehören dazu.
Bei der Wildtierökologie eignet man sich forstwirtschaftliche Kenntnisse an, lernt über 30 Baum- und Sträucherarten zu unterscheiden und befasst sich mit Nahrungsketten, Ökologie und Lebensraumaufwertung von Wildtieren.
Einen weiteren Bestandteil stellen Jagdgesetze und Jagdpolitik, namentlichKenntnisse der geltenden kantonalen und eidgenössischen Gesetze dar. Dazu gehören auch Jagdgeschichte und Jagdsysteme.
Was viele nicht wissen:Auch die Hundehaltung und Pflege, Hundeausbildung, der Einsatz bei der Jagd und das Erkennen von über 40 Jagdhunderassen anhand eines Bildes ist ein fester Bestandteil der Ausbildung.
Und auch Brauchtum, Jagdarten, Sitten und Bräuche, Weidmannssprache, Weidgerechtigkeit werden im Unterricht behandelt.
Wie haben Sie sich auf die Prüfung vorbereitet?
Jeder Jagdlehrgänger muss nachweislich mindestens 100 Arbeitsstunden «leisten» durch Mitarbeit im Revier, Mitwirken im Jagdbetrieb, Ausbildungen und Kurse, Hundeführung und Weiteres. Ich persönlich habe auch eine private Jagdschule mit zirka 12 Kursabenden besucht und über Monate in einer wöchentlichen Lerngruppe mit zwei Lehrgangskollegen gelernt.
Zirka sechs Wochen vor der Prüfung habe ich praktisch täglich gelernt. Es war ein grosser Aufwand, der schliesslich mit einem sehr guten Abschluss honoriert wurde.
Wie hat sich das Jagdwesen Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren verändert?
Über einen längeren Zeitraum hat sich der Gedanke von Hege und Pflege des Wildbestands entwickelt. So waren beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts viele Wildtiere ausgerottet bzw. beinahe ausgerottet worden, weil der Bestand viel zu stark genutzt wurde.
Auch wird der Gedanke der weidgerechten Jagd nach meiner Auffassung und dem Austausch mit anderen Lehrgängern immer wichtiger. Das heisst, ein Tier wird nur beschossen, wenn sich der Jäger zu 100 Prozent sicher ist, dass er es tiergerecht erlegen kann. Das steht im Gegensatz zum veralteten Bild in den Köpfen eines Teils der Gesellschaft, dass ein Jäger auf alles schiesst, was sich im Wald bewegt.
Wie muss man sich einen modernen Jäger vorstellen? Welche Tätigkeiten gehören zu seinem Aufgabenbereich?
Der moderne Jäger hat grosses Interesse an der Natur generell und Freude an den Zusammenhängen und dem Zusammenspiel in der Tierwelt. Er oder sie ist kontaktfreudig und sozial, denn die Jagd findet zu einem Grossteil als Gesellschaft statt. Ausserdem bringt er die Bereitschaft mit, Wildtiere zu nutzen mit allem, was dazu gehört – Erlegen, Aufbrechen, Untersuchen der Organe etc. Der moderne Jäger muss sich bewusst sein, dass der Wald neben Lebensraum für Wildtiere auch eine wichtige Erholungs- und Freizeitfunktion hat für einen breiten Teil der Bevölkerung. Zusammenarbeit, Verständnis und Rücksichtnahme auf Sportler und Spaziergänger sind daher essenziell. Er muss offen gegenüber der Bevölkerung sein und sollte bei Bedarf erklären und Beweggründe darlegen können, um mit dem oft verstaubten Image der Jagd aufzuräumen.
Das Aufgabengebiet eines Jägers besteht denn auch nicht nur aus der Jagd. Nebst der Gesellschaftsjagd an mehreren Tagen im Herbst und den Ansitzjagden für Rehe und Raubwild im Sommer und Winter gehören die Wildtierzählung und Erstellung eines Regulierungsplans in Absprache mit dem Lawa bzw. der Forstwirtschaft dazu. Auch die Rehkitzrettung vor der Heuernte, der Schutz von Jungwuchs vor Verbiss und die Lebensraumaufwertung stehen auf dem Aufgabenplan eines Jägers.