Im Département Allier in der Region Auvergne, die auch als «die grüne Lunge Frankreichs» bekannt ist, liegt die kleine Gemeinde Souvigny. Knapp 2000 Einwohner leben in dem «kleinen, verschlafenen» Dorf, wie Werner Vitali es nennt. Ungefähr drei Kilometer vom Dorfkern entfernt wohnen er und seine Partnerin Esther Gut auf Chateau d’Embourg – einem kleinen, weissen Schloss umgeben von beinahe endlosem Grün. 18 Zimmer hat das Schloss vorzuweisen. Darin lasse es sich durchaus «schön leben», wie Werner Vitali bescheiden sagt.
Zum 14 Hektaren grossen Grundstück der beiden gehören fünf Appartements, gebaut aus ehemaligen Pferdeställen, das «Gîte», was in Frankreich ein freistehendes Bauernhaus umschreibt sowie das «Ferme», ein Häuschen mit zwei Etagen und eigenem Garten. Insgesamt sind es 40 Betten mit Platz für bis zu 60 Personen. Weiter gibt es auf dem Gelände die «Orangerie», einen Festsaal mietbar für Hochzeiten und andere Anlässe.
Roadtrip durch Europa
Das Anwesen gekauft haben die beiden im Herbst 2013. Für sie war es fast wie «Liebe auf den ersten Blick», als sie die Räumlichkeiten ein erstes Mal besichtigten. «Das Anwesen war einige Zeit unbewohnt und deshalb stark mit Pflanzen überwuchert. Auch bei einigen Gebäuden war der Renovationsbedarf augenfällig. Doch wir haben das Potential erkannt», sagt Vitali. Auf der fünfstündigen Heimfahrt nach Mauensee sprudelten dann bereits die ersten Ideen für das Anwesen und kurz darauf stand der Entschluss: Sie würden nach Frankreich auswandern.
Die Idee, eine eigene Ferienanlage zu kaufen, kam dem Paar auf der Hochzeit von Freunden in Italien. Die Festlichkeiten, das Ambiente, la dolce vita weckte die Lust in ihnen, Pläne zu schmieden – auch wenn diese fürs erste hypothetisch blieben. «Es dauerte zwei bis drei Jahre bis es konkret wurde», so Vitali. Schliesslich unternahm das Paar einen Roadtrip durch Spanien, Italien und Frankreich, wo es verschiedene Objekte besichtigte. «Viele der Objekte waren in keinem guten Zustand, das war sehr ermüdend. Auch das Chateau d’Embourg war in schlechter Verfassung, doch das Bauchgefühl stimmte einfach.» Zudem lag das Anwesen in Fahrtnähe der Schweiz – ein wichtiger Punkt auf ihrer Checkliste. Circa alle sechs Wochen können sie Freunde und Familie besuchen.Vitalis erwachsene Söhne, Fabio und Luca, lebten ebenfalls für zwei Jahre in Frankreich. 2018 sind sie in die Heimat zurückgekehrt.
Zweifel gehörten dazu
Die Renovationsarbeiten dauerten knapp zweiJahre.
Alleine die Instandstellung der 20’000 m2 grossen Parkanlage mit Wiesen, Wald und Schleichwegen nahm einen Grossteil der Zeit in Anspruch. Das grösste Projekt – die Innen- und Aussenrenovation des Schlosses – kam zum Schluss. Was im ersten Augenblick nach einer lückenlosen Bauzeit klingt, erwies sich aber hie und da als kleine Zerreissprobe. «In den zwei Jahren sind viele Überraschungen zutage getreten – fast nie positive. Da hatten wir ab und zu schon unsere Zweifel, ob wir das richtige Projekt angepackt haben», erzählt er. Doch ihr anfängliches «Gespür» erwies sich als richtig. Ende 2015 wurden Schloss und Appartements fertig und die grosse Eröffnung konnte stattfinden.
In der Hauptsaison, von den Oster- bis zu den Herbstferien wird Chateau d’Emborug zu 60 Prozent von Schweizern besucht, so Vitali. In der Nebensaison gäbe es viele Pauschalvermietungen an Einheimische, die beispielsweise den Festsaal «Orangerie» für Hochzeiten oder Firmenanlässe mieteten.
Schweizer brauchen mehr «Laissez-faire»
Abgesehen der Putzarbeiten bewerkstelligen Vitali und Gut auf Chateau d’Embourg alles alleine. Erfahrungen in der Hotelleriebranche hatte davor keiner von ihnen gesammelt. Sie arbeitetenbeide im kaufmännischen Bereich: Werner Vitali zehn Jahre bei der damaligen Volksbank Willisau AG (heute Valiant), sechzehn Jahre bei der Sustra Tiefbau + Strassen AG in Sursee. Zudem war er drei Amtsperioden lang im Gemeinderat Mauensee für das Ressort Finanzen zuständig. 2010 hatte er zusammen mit Esther Gut und Jan Erni das Goose in der Surseer Altstadt eröffnet. Esther Gut arbeitete ebenfalls während rund zehn Jahren bei der Sustra.
Apropos Surseer Altstadt: Was die beiden an der Schweiz am meisten vermissen, sind die Sommeranlässe in der Region Sursee und Luzern – obwohl diese heuer wohl für alle ins Wasser fallen dürften. Denn während der Hauptsaison ist es den beiden kaum möglich, zum Besuch in die Schweiz zu fahren. Auch die Schwingfeste fehlen Werner Vitali als Eidgenoss und mehrmaliger Kranzgewinner sehr. Wiederum an Frankreich schätzen gelernt haben sie das «Laissez-faire», das die Franzosen so gut beherrschten. «Das ist etwas, was wir Schweizer von ihnen lernen können.»