Im Sellenboden in Neuenkirch stehen gewerbliche Bauten in der Landwirtschaftzone, die mehrheitlich ohne Baubewilligung erstellt worden sind, teilweise vor über 30 Jahren. Anwohner Herbert Burri wehrt sich seit Jahren mit seiner Frau dagegen, dass er und seine Frau ihre gewerblichen Tätigkeiten hatten einstellen müssen als Folge einer Anzeige eines Bürgers im Jahr 2012, die Muff AG Bauunternehmung jedoch weiterhin ihre Geschäftstätigkeit ausübt auf seinem Werkhof.
Keine Verwirkungsfrist
Im Zuge dieses langen Rechtsstreits war das Bundesgericht im Herbst 2016 zum Schluss gekommen, dass der Werkhof rechtswidrig sei. Daraufhin reichte die Muff Immobilien AG ein nachträgliches Baugesuch für gewisse Bauten ein. Die Gemeinde Neuenkirch entschied, dass elf Bauten abzureissen seien, die Lagerhalle, der Werkhof und zwei Anbauten jedoch stehen bleiben könnten, weil diese vor über 30 Jahren erstellt worden seien.
Das Bundesgericht sieht dies nun aber anders. Mit seinem Urteil vom 28. April halten die Lausanner Richter fest, dass illegal erstellte Gebäude ausserhalb der Bauzone auch nach über 30 Jahren abgerissen werden müssen, so, wie dies auch innerhalb der Bauzone gilt. Für Bauten ausserhalb der Bauzone sei die Rechtslage leicht zu ermitteln, und der Rechtssicherheit und -gleichheit sei am besten gedient, wenn klar sei, dass eine rechtswidrige Nutzung nicht geduldet werde, auch wenn sie über lange Zeit nicht entdeckt worden sei, hält das Bundesgericht in seiner Medienmitteilung fest. Die Gemeinde muss nun die Anordnungen für den Rückbau treffen.
Weiteres Vorgehen noch offen
Wie Gemeindepräsident Kari Huber auf Anfrage erklärt, werde die Gemeinde nun erst einmal das schriftlich begründete Urteil abwarten. Erst dann könne man über weitere Massnahmen entscheiden und diese korrekt umsetzen. Das Verdikt der fünf Bundesrichter sei aber klar. Diese hätten sich auch negativ zu den Entscheiden der Gemeinde und des Kantons geäussert. «Die Aussagen werden wir sicher selbstkritisch prüfen.»
Kari Huber wehrt sich gegen allfällige Kritiken, der Gemeinderat habe nicht sofort eingegriffen, als er Kenntnis von illegalen Bauten gehabt habe. «Ich kenne den Fall sehr gut und bin überzeugt, dass sowohl das Bauamt als auch der Gemeinderat jeweils sofort gehandelt haben.» Er räumt aber ein, dass in der Vergangenheit einzelne Entscheide unglücklich gewesen oder auch Fehler passiert seien. «Damit müssen wir umgehen können.»
Doch er würde nie früheren Gemeinderäten Vorwürfe machen. «Sie haben sicher nach besten Wissen und Gewissen gehandelt.» Unangenehm sei die Sache aber nicht bloss für die Gemeinde. «Der Entscheid ist für die betroffene Baufirma ein harter Schlag», ist sich der Gemeindepräsident bewusst. Er stellt in Aussicht, dass die Gemeindebehörden im Rahmen ihrer Möglichkeiten das Unternehmen unterstützen würden, einen neuen Standort für den Werkhof zu finden.
Baugewilligung der Gemeinde
Der Werkhof Sellenboden gehört der Muff Immobilien AG. Die Bauuternehmung Muff AG hat sich dort eingemietet. Der Geschäftsführer der Bauunternehmung Muff AG, Geri Muff, streicht heraus, dass für den Werkhof Sellenboden mit dem dazugehörigen Magazin 1972 eine Baubewilligung seitens der Gemeinde vorlag. Er hält aber fest, man habe in der Vergangenheit einen Waschplatz und zwei mobile Container erstellt in der Annahme, dafür brauche es keine Baubewilligung. Die entsprechenden Baugesuche reichte man daraufhin nach, was den Stein weiter ins Rollen brachte und 2016 zum ersten Bundesgerichtsurteil gegen diese illegalen Bauten geführt hat. «Für mich war es, seit ich 2018 die Geschäftsführung übernommen habe, aber klar, dass es im Sellenboden wegen des Gewässerschutzes nicht möglich ist, sanitäre Anlagen und einen Waschplatz zu betreiben. Deshalb habe ich mich auch nach Alternativen umgesehen», erzählt Geri Muff.
Findet Baufirma neuen Platz?
Dass das Lagergebäude aus dem Jahre 1972 jedoch auch illegal sein soll, sei schon nicht ganz einfach zu verstehen, schiebt er nach. Doch man müsse akzeptieren, dass sich die Bestimmungen und die Rechtssprechung in den letzten Jahren verschärft hätten. Nun gelte es nach vorne zu schauen, auch wenn eine langfristige Planung momentan kaum möglich sei. «Die ganze Sache ist für das Bauunternehmen schon sehr belastend», hält Geri Muff fest. «Als stark lokal tätiges Unternehmen mit fast ausschliesslich Neuenkircher Mitarbeitern möchten wir in dieser Gemeinde bleiben.» Doch die Suche nach einem neuen Platz für den Werkhof sei bis jetzt erfolglos geblieben. «Zeichnet sich in den kommenden Wochen nicht doch noch eine Lösung ab, müssen wir schweren Herzens den Wegzug aus Neuenkirch ins Auge fassen.»
Anwohner wurde angefeindet
Für Herbert und Margrith Burri geht ein neun Jahre dauernder, zermürbender Rechtsstreit zu Ende. Sie wehrten sich dagegen, dass sie infolge der eingangs erwähnten Anzeige von 2012 das Lamatrekking und Porzellanmalen hatten einstellen müssen, da keine gewerbliche Tätigkeit in der Landwirtschaftszone erlaubt sei. «Endlich ist nun die Rechtsgleichheit hergestellt. Denn es kann ja nicht sein, dass, obwohl auch für diesen Betrieb gleichzeitig eine Anzeige vorlag, weiterhin ein Werkhof mit illegal erstellten Bauten weiterbetrieben werden kann», sagt Herbert Burri dazu. Er war 43 Jahre lang als Lehrer in Neuenkirch tätig gewesen. Als er sich zu wehren begonnen habe, hätten auch Mobbingversuche und Anfeindungen im Dorf ihren Anfang genommen, erzählt er. «Ich werde von vielen gemieden, und mein Name ist ramponiert.» Dabei habe er einzig und allein um Gerechtigkeit gekämpft.
«Ein trauriges Kapitel»
Für die Rolle, welche der Neuenkircher Gemeinderat früher und heute in dieser Sache gespielt habe, hat Herbert Burri keine guten Worte übrig. «Es ist ein skandalöses Bild, das die Gemeinde abgibt. Es hat zwei Bundesgerichtsurteile, 2016 und das aktuelle, gebraucht, um offenzulegen, dass im Sellenboden 14 illegale Bauten über all die Jahre entstanden sind.» Nach seinen Schätzungen hat der Fall die Gemeinde mehrere hunderttausend Franken gekostet, «unsere Steuergelder sind hier verwendet worden. Es ist ein trauriges Kapitel, das für Neuenkirch, aber auch für den Kanton, der die Bauten ja toleriert hat, geschrieben worden ist.»