Neun Spiele, neun Niederlagen. Eine Bilanz zum Davonlaufen. Warum gilt das nicht für Sie?
Es war von vornherein klar, dass wir einen schweren Stand haben würden. Im Sommer verlor die 1. Mannschaft sieben Leistungsträger und erprobte 3.-Liga-Spieler. Im Gegenzug fanden viele junge Spieler den Weg ins Fanionteam, die teilweise vorher in den tiefsten Niederungen des Fussballs spielten oder vorher keine Rolle spielten. Die vielen Niederlagen waren deshalb kein Schock. Wir nahmen sie bewusst in Kauf, weil wir nachhaltig mit einem Zweijahresplan für die Zukunft investieren.
Einem Zweijahresplan?
Genau. Im ersten Halbjahr, also in der abgelaufenen Herbstrunde 2020, ging es ums Akklimatisieren. Im ersten Halbjahr 2021 geht es darum, die gesammelten Erfahrungen in Punkte umzumünzen, konstanter und taktisch flexibler zu sein und die spielerischen Fortschritte zu bestätigen. Im dritten Halbjahr wollen wir uns langsam ambitionierte sportliche Ziele setzen, während wir im vierten Halbjahr lernen, situativ mit Druck umzugehen, nebst weiteren wichtigen Aspekten. Wir wollen uns langfristig in der 3. Liga etablieren, auch wenn der Weg kurzfristig zurück in die 4. Liga führt.
Neun Niederlagen können arg auf die Stimmung schlagen. Wie schafften Sie es, den Teamspirit dennoch hoch zu halten?
Das fängt zuallererst bei mir als Trainer an. Ich bin keiner, der Seich erzählt oder nur grosse Töne spuckt. Ich bin aber einer, der alles gibt. Ich zeige beispielsweise in der Kabine Videoeinspielungen, arbeite viel mit Bildern und weiteren Dingen. Abwechslung im Training gehört ebenso dazu. Ich erwarte viel und gebe viel. Die Spieler erhalten regelmässig schriftliche Rückmeldungen zu ihren Leistungen. Ich versuche sie zu fördern und zeige mit meinen Sonderefforts, dass mir viel an ihrer Entwicklung und unserem gemeinsamen Erfolg liegt.
Es gab in dieser Saison aber auch zwei Siege: Im IFV-Cup schafften Sie es bis in den 1/16-Final. Wie stolz sind Sie auf diese Leistung?
Sehr. Der erste Sieg gegen die 4.-Ligisten aus Ingenbohl war gut fürs Selbstvertrauen. Im zweiten Spiel schlugen wir den Ligakonkurrenten Alpnach diskussionslos. Im 1/16-Final verloren wir gegen das oberklassige Schattdorf zwar mit 1:5. Nach dem 0:5-Pausenstand fielen wir aber nicht auseinander, sondern gewannen die 2. Halbzeit gegen das Topteam aus der 2. Liga mit 1:0. Von daher konnten wir sehr gute und wichtige Erfahrungen im Cup sammeln.
An der Seitenlinie sind Sie sehr engagiert, loben die Spieler oft für gute Aktionen. Wie wichtig ist es Ihnen, vom Spielfeldrand positive Signale zu senden?
Zu häufig hört man von der Trainerbank mehrheitlich nur Negatives. In den meisten Fällen bringt das nichts, weil es die Spieler nur wütend macht. Ich bin als Mensch generell ein positiver Typ. Mir ist es wichtig, eine vernünftige Linie aus antreiben, motivieren, loben, kritisieren und taktischen Anweisungen den Spielern mitzugeben. Der Spieler spürt so, dass der Trainer da ist und einen guten Einsatz auf dem gesamten Spielfeld honoriert. Natürlich darf man aber nicht zu einseitig auftreten. Es braucht ein gesundes Mass, sonst hören dir die Spieler irgendwann nicht mehr zu.
Beim Hildisrieder SV trainieren Sie ein blutjunges Team. Wie zufrieden waren Sie mit der Entwicklung Ihrer jungen Truppe in der Herbstrunde?
Ich bin sehr zufrieden. Die Mentalität ist sensationell, was nicht selbstverständlich ist, wenn man ständig aufs Dach bekommt. Die Cleverness und Routine fehlen uns noch etwas, aber das ist etwas, was mit mehr Spielpraxis automatisch kommt. Wir können schon jetzt meist 60, 70 Minuten mithalten, haben aber auch noch 20, 30 Minuten, in denen uns die Konzentration und die Konsequenz fehlen. Daran wollen wir arbeiten.
Erinnern Sie sich noch, warum Sie sich im April 2020 ursprünglich entschieden hatten, ab Sommer die 1. Mannschaft des Hildisrieder SV zu trainieren?
Das Gesamtbild war für mich entscheidend. Mich reizte ein erstmaliges Engagement in der 3. Liga. Zudem spürte ich, dass der Vorstand in Hildisrieden umsichtig und von meiner Idee begeistert ist. Ausserdem arbeite ich gerne mit jungen Spielern.
Und bereut haben Sie diesen Entscheid noch nie?
Auf keinen Fall. Ich spürte schnell, dass der Verein mit dem gleichen Herzblut zur Sache geht wie ich. Hildisrieden ist ein kleiner und familiärer Verein, das schätze ich sehr.
Wie schafften Sie es, den Kontakt zu Ihrer Mannschaft auch während der Corona-bedingt spielfreien Zeit zu halten?
Am Anfang habe ich sie etwas in Ruhe gelassen, schliesslich gibt es ja auch noch Wichtigeres als Fussball während einer Pandemie. Seit vier Wochen intensivierte ich den Kontakt. Am letzten Dienstag hielten wir unsere erste Zoom-Sitzung ab. Jeder Spieler hat aber seit Längerem einen individuellen Trainingsplan, damit alle fit sind, wenn es hoffentlich früher als später wieder los geht.
Zur Person
Simon Bosshard ist 42-jährig und wohnt mit seiner Familie (zwei Töchter im Alter von 14 und 18 Jahren) in Altdorf. Hauptberuflich arbeitet der Urner als Immobilienbewirtschafter. Seine Hobbys sind Tennis, Sprachen, die Familie und natürlich Fussball.