Zweimal vermochte die Sempacher Curlerin Selina Witschonke mit dem Luzerner Juniorinnenteam bereits die Schweizer Meisterschaft ihrer Altersklasse zu gewinnen. In diesem Jahr strebt sie den dritten Streich an. Mitte Dezember hat sie in Gstaad bereits den ersten Teil der SM bestritten, Mitte Januar (Zug) und anfangs Februar (St. Gallen) finden weitere Wettkämpfe statt, um das beste Juniorenteam im Curling auszumarchen. Es ist das erklärte Ziel von Selina Witschonke, ihren Schweizer-Meister-Titel noch einmal zurückzuerobern. Neben den beiden Junioren-Schweizer-Meister-Titel von 2016 und 2017 gehören zum Palmares von Selina Witschonke eine Bronzemedaille an den Olympischen Juniorenspielen in Lillehammer 2016, drei Junioren-Weltmeisterschaftsteilnahmen in Kopenhagen (2016, 6. Rang, Alternate), Pyeongchang (2017, 5. Rang, Skip) und Aberdeen (2018, 7. Rang, Skip) sowie zahlreiche Podestplätze an Turnieren in Europa und Kanada.
Arbeit am Mentalen
An Turnieren hat die 20-jährige Sempacherin auch bereits Erfahrungen im Kreise der Elite sammeln können. Dabei hat sie auch mit herben Niederlagen umgehen müssen. «Es waren lehrreiche Momente, die mich in meiner Karriere weiterbringen werden», ist Selina Witschonke überzeugt. An Willen auf ihrem Weg an die Curlingspitze des Landes fehlt es der gebürtigen Engadinerin nicht, die seit ihrem fünften Lebensjahr mit der Familie in Sempach wohnt. Manchmal überbordet das Temperament beinahe und das ist sich Witschonke sehr wohl bewusst. «Ein Zuviel an Ehrgeiz und Emotionen kann sich negativ auf das Spiel auswirken.» Auch deshalb arbeitet sie seit zwei Jahren mit einem Mentaltrainer zusammen, welcher die Emotionen zu kanalisieren vermag und Selina Witschonke Wege aufzeigt, um daraus positive Energie abzuleiten.
Profitieren von Mirjam Ott
Und diese positive Energie sowie das stete Vorwärtskommen und Besserwerden kann Selina Witschonke bestens gebrauchen, steht sie doch vor einem entscheidenden Curlingkarriereschritt. Sie wechselt im kommenden Herbst in die Elite. Gecoacht wird sie in ihrer laufenden letzten Juniorensaison durch keine Geringere als Mirjam Ott, die als erfolgreichste Curlerin der Schweiz gilt. Ott gewann in ihrer 18-jährigen Aktivzeit unter anderem einen Weltmeister- und zwei Europameistertitel. Zudem brachte sie zweimal von Olympia Silber mit nach Hause. Hinzu kommen acht weitere Medaillengewinne an Welt- und Europameisterschaften. Nun können Selina Witschonke, Anna Gut, Marina Loertscher und Elena Mathis vom reichen Erfahrungsschatz Otts profitieren.
Freiluftcurling im Engadin
Bis vor einem Jahr coachte noch Sandra Witschonke, die Mutter von Selina, das Juniorinnenteam. Sie tat dies insgesamt elf Jahre lang. Ein Beleg dafür, dass der Curlingsport in der Familie Witschonke seit eh und je eine grosse Bedeutung hat. «Ich wurde durch meine Eltern stark gefördert», erzählt Selina Witschonke. Schon früh kam sie mit dem Curling in Berührung. Damals – noch im Engadin – spielte man oft im Freien. Nach ihrem Umzug nach Sempach lernte Selina Witschonke das Einmaleins des Curlings in der Eishalle Luzern von der Pike auf.
Flexibles Studium
Selina Witschonke setzt aber nicht einfach nur auf Curling. Seit Kurzem studiert sie an der Universität Lausanne Kriminalistik. Dank einem speziell auf Elitesportler zugeschnittenen Studium kann sie maximal 14 Semester für den Bachelorabschluss aufwenden, um genügend Zeit für den Curlingsport zu haben – üblich wären sechs Semester. Das flexible System ermöglicht es ihr, jeweils in jedem Semester den weiteren Fortlauf des Studienganges festzulegen.
Oft auf Reisen
Der Curlingsport ist zeitaufwändig und kostspielig, hervorgerufen vor allem durch das Reisen. Selina Witschonke bestreitet im Schnitt pro Jahr vier bis fünf Turniere im Ausland. Deshalb ist auch die finanzielle Unterstützung ein wesentlicher Aspekt, um das junge Talent weiter erfolgreich zu fördern. Die Familie ist auch hier eine wichtige Stütze, doch mittlerweile sucht sich Selina Witschonke auch Sponsoren. Kein leichtes Unterfangen, wie sie eingesteht. «Es braucht schon einige Anstrengungen, auch, weil Curling nach wie vor eher eine Randsportart ist.» Mit der Sporthilfe Schweiz darf die Sempacherin zudem auf eine Patin, ebenfalls aus ihrem Wohnort, zählen.
Curling ist viel Taktik
Zurück zum eigentlichen Wirken auf dem Eis. Zwei Teams mit je vier Spielern treten gegeneinander an. Das Ziel ist es, möglichst viele Steine näher zum Zentrum der markierten Kreise, dem Haus, zu platzieren als der beste Stein des Gegners. Als Skip (Kapitän) ist Selina Witschonke der Kopf des Teams, sie legt die Spieltaktik fest und weist die übrigen Spielerinnen an. Jede der Spielerinnen spielt zwei Steine – die acht Steine ergeben einen Durchgang, das sogenannte End. Ein Spiel dauert acht bis zehn Ends, je nach Art eines Turniers.
«Die Taktik im Curling ist sehr wichtig», erläutert Selina Witschonke, dabei gehe es auch darum, den Gegner gut zu studieren und die richtige Antwort auf dessen Spielzüge bereitzuhalten. Deshalb spricht man beim Curling auch von Schach auf dem Eis. «Bei der Elite werde ich hier noch einmal Neuland betreten», ist sich die junge Sempacherin bewusst und fügt an, dass es vor allem das Taktische sei, das sie beim Curling fasziniere. Die Technik der Steinabgabe ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt. «Es ist nicht so einfach, wie es aussieht», macht Selina Witschonke deutlich. «Ein bisschen zu viel Druck und ein Fehler ist unausweichlich», gibt sie ein Beispiel, wie viel Feingefühl und welch eine ruhige Hand es beim Curling braucht. Als Skip müsse sie auch stets das Team über die Beschaffenheit des Eises, und wie man darauf am erfolgreichsten spiele, ins Bild setzen. Entsprechend zentral sei die Kommunikation.
Edle geistige Haltung
Nicht zu vergessen ist bei diesem Sport die Ausdauer, auch wenn man dies auf den ersten Blick nicht gleich denken würde. Bis zu drei Spiele à zwei Stunden können an einem Tag zusammenkommen. Vom «kopflastigen» Skip verlangt dies eine grosse Konzentrationsfähigkeit. Und auch die Wischer, welche mit ihren Besen das Gleiten der Steine verlängern oder ablenken, merken dann mit Bestimmtheit, was sie geleistet haben.
«Curling ist ein ruhiger und edler Sport», fügt Selina Witschonke an. Nebst den Spielregeln existiert auch der «Spirit of Curling», ein Verhaltenskodex, der auf Fairness und auf korrektem und freundschaftlichem Auftreten basiert. So verwundert es auch nicht, dass sie als Skip wohl die Lenkerin des Teams ist, im gleichen Atemzug aber darauf hinweist: «Das Team ist ebenso wichtig wie der Skip.» Ohne funktionierendes Team könne sie nichts bewirken.
Sport
Ehrgeizige Taktikfüchsin greift bald Elite an
Geri Wyss
27. Dezember 2018
Die Sempacherin Selina Witschonke kämpft sich mit Beharrlichkeit und Ehrgeiz beim Curling nach oben. Nun steht der Schritt in die Elite bevor. An ihrer Seite ist auch ein grosser Name der Schweizer Curlingszene.