1994 wurde ein kantonales Radroutenkonzept ins Leben gerufen. Dieses sollte die wichtigsten Verbindungen beziehungsweise Bedürfnisse der Alltagsverkehrs abdecken, wie die Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (Vif) auf ihrer Website schreibt. 30 Jahre später kann ein ernüchterndes Fazit gezogen werden. Nur rund zwei Drittel der geplanten Velowege wurden tatsächlich gebaut. Bewegung in die Thematik bringt ein neues Bundesgesetz, das die Kantone verpflichtet, bis Ende 2042 dichte, zusammenhängende Velowegnetze zu bauen. «Bisher hat es in der Umsetzung schlicht an politischem Willen gemangelt», sagt Andri Hummel. «Dem Velo kam auf kantonaler Ebene politisch stets zu wenig Gewicht zu, was nicht zuletzt auf die Parteienkonstellation im Kanton Luzern zurückzuführen ist.» Das müsste sich nun durch das neue Bundesgesetz und infolgedessen ein neues kantonales Velokonzept ändern, das bis Ende 2024 fertiggestellt sein sollte. Die Umsetzung desselben wird jedoch erheblich länger dauern und einen grossen, nicht zuletzt finanziellen Aufwand mit sich bringen.
CO2-Ausstoss eindämmen
Auf die Frage, worin die eigentliche Relevanz der Thematik liege, hebt Hummel insbesondere den Klimakrise hervor. «Mobilität ist ein gewaltiger Faktor für den CO2-Ausstoss. Wo Möglichkeiten bestehen, diesen zu senken, muss unbedingt angesetzt werden. Das vermehrte Nutzen des öV oder besser noch des Velos, gerade für kürzere Distanzen, bietet sich da an.» Ein weiterer positiver Effekt des Velos könne laut Hummel in Bezug auf körperliche Gesundheit festgestellt werden: «Gerade in einer Dienstleistungsgesellschaft, wo im Alltag oft wenig körperliche Betätigung vorkommt, bietet das Velo eine niederschwellige Möglichkeit, sich täglich zu bewegen.» In Bezug auf die Klimakrise spiele das Velo nur eine kleine Rolle im Gesamtbild, doch lasse sich ein Wandel dort relativ leicht realisieren, so Hummel. «Es hat darüber hinaus Symbolwirkung. Wenn es um die Klimakrise geht, wird die Verantwortung und Handlungskompetenz immer wieder auf Individuen abgewälzt. Der Fokus sollte hingegen mehr auf einem systemischen Wandel liegen, wie in diesem Fall auf dem Errichten einer funktionierenden Velo-Infrastruktur, was dann auch für die breite Bevölkerung sichtbar ist.» Dass da Kosten anfallen, sei klar, doch das Geld liesse sich auftreiben, zeigt sich Hummel überzeugt: «Es müssen Prioritäten gesetzt werden. Autostrassen sind im Vergleich massiv teurer. Wenn man das Geld, das noch immer in den Strassenbau gepumpt wird, in Velorouten investieren würde, könnten gewaltige Summen eingespart werden, doch dazu braucht es politischen Willen.»
Frage von Angebot und Nachfrage
Beim Mobilitätswandel gehe es darum, Leuten Anreize zu schaffen, so Hummel: «Solange die Infrastruktur nicht besteht, oder sie durch Mängel mit Risiken verbunden ist, werden Leute nachvollziehbarerweise nicht das Velo benutzen.» Solche Risiken sieht Andri Hummel besonders wenn Radwege nicht von Autorouten getrennt sind, wie beispielsweise auf der Hauptstrasse zwischen Nottwil und Sempach Station. Die derzeitigen Anstrengungen, die Hauptstrasse an dieser Stelle zu verbreitern und einen durch einen Grünstreifen abgetrennten Veloweg zu realisieren, bezeichnet Hummel als begrüssenswert. «Rund um den See gibt es grosses Potenzial. Viele dieser Distanzen sind gut mit dem Velo oder e-Bike machbar, und wenn es direkte, attraktive und sichere Velorouten gäbe, würden diese bestimmt auch vermehrt genutzt werden.» Diese Logik lasse sich natürlich auch auf andere Bereiche übertragen. Andri Hummel verweist auf die häufigen politischen Forderungen nach weiteren Investitionen in den motorisierten Individualverkehr: «Das ist definitiv falsch investiertes Geld. Die Zukunft liegt nicht im motorisierten Individualverkehr, doch wenn die Nutzung desselben ständig noch attraktiver gestaltet wird, dann ist das dasselbe wie beim Velo: Besteht das Angebot, dann wird es auch genutzt.»
Gemeinden in der Verantwortung
Ein Grossteil der Planungs- und Umsetzungsarbeiten befinden sich im Verantwortungsbereich des Kantons. Hummel betont jedoch auch die Kompetenzen der Gemeinden. «Einen wesentlichen Beitrag können Gemeinden durch Verkehrsberuhigungsmassnahmen innerorts leisten. Bei Übergängen und Abzweigungen sollte das Velo in der Planung von Anfang an mitgedacht werden. Darüber hinaus fehlen oftmals andere Elemente einer tatsächlichen Veloinfrastruktur. Es gibt beispielsweise viel zu wenig Velostationen mit Abschliessmöglichkeiten, und sollten solche vorhanden sein, so sind sie in der Regel nicht überdacht.»