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Sport

«Schlussendlich ist es eine menschliche Frage»

Geri Wyss,Stefanie A. Waldispühl 25. September 2019

Nach der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung wegen Tierquälerei des Springreiters Paul Estermann drängt sich die Frage auf, was genau tiergerechtes Training ist. Die Sempacher Woche hat beim Verband, bei einem Tierarzt und einer Physiotherapeutin nachgefragt.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Hildisrieder Springreiter Paul Estermann von der Staatsanwaltschaft wegen Tierquälerei verurteilt worden ist (wir berichteten). Er soll zwei Pferde wissentlich und willentlich brutal geschlagen haben, um bessere Trainingsergebnisse zu erzielen. Da drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Was macht ein gutes Training aus, was ist zu viel, wo liegen die Grenzen? Auf der Webseite des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport  findet sich ein Verhaltenskodex, der mehr oder weniger konkret vorgibt, wie sich Reiter gegenüber ihren Pferden zu verhalten haben. Dort steht etwa geschrieben, dass das Wohlergehen des Pferdes in keiner Weise beeinträchtigt werden darf. Praktiken, welche dem Pferd während wie auch ausserhalb von Wettkämpfen physisches oder psychisches Leiden zufügen könnten, würden nicht toleriert. Weiter steht geschrieben, dass die physischen Fähigkeiten des jeweiligen Pferdes das Trainingsmass vorgeben sollten. Und weiter: Die Pferde dürfen keinen missbräuchlichen Trainingsmethoden ausgesetzt werden und es werde keinerlei Missbrauch von natürlichen oder künstlichen Hilfsmitteln (zum Beispiel Peitschen und Sporen) toleriert. So weit so gut. Doch wie überprüft der Verband, ob dieser Kodex eingehalten wird? Und ab wann ist ein Missbrauch gegeben?

 

Es muss bluten

Sandra Wiedmer, Generalsekretärin beim Schweizerischen Verband für Pferdesport SVPS, gibt zu bedenken, dass ein Kodex kein Reglement sei – «Nichteinhaltung hat deshalb keine rechtlichen Schritte zur Folge». Erst bei offiziellen Veranstaltungen des SVPS – etwa bei einer Springkonkurrenz – sind die Reglemente des Verbandes verbindlich. Deshalb überprüfe der SVPS an Veranstaltungen auch regelmässig, ob alles rechtens zu- und hergehe. Richter, die Jury und auch Platztierärzte seien in der Pflicht, Missbräuche zu melden und fehlbare Reiter allenfalls von der Teilnahme auszuschliessen. «Ein Missbrauch von Hilfsmitteln wie Peitschen oder Sporen liegt dann vor, wenn die Verhältnismässigkeit des Einsatzes nicht mehr gegeben ist. Wenn bei einem Pferd in Bereichen, auf die üblicherweise vom Reiter eingewirkt wird, Blut festgestellt wird, hat dies die Disqualifikation zur Folge», präzisiert Sandra Wiedmer.   

 

Schwarze Schafe gibt es überall

Einer, der solche Kontrollen regelmäs-sig auszuführen hat, ist der gebürtige Hildisrieder Pascal Bucher. Er ist seit über 20 Jahren Tierarzt und mit der Szene bestens vertraut. Er amtet bei Concours auch als Platztierarzt. Bucher hält fest: «An jedem Turnier ist während der ganzen Veranstaltung eine Jury aus drei Mitgliedern und ein Platztierarzt für die Einhaltung der Reglemente inkl.  des Tierschutzes zuständig.» Wie in anderen Sportarten und sonst in der Gesellschaft gebe es auch im Springreitsport einzelne schwarze Schafe, macht sich Pascal Bucher nichts vor. «Doch als Springreiter kann man kein Interesse haben, sein Pferd schlecht zu behandeln oder sogar mit einem verletzten Tier an Wettkämpfen teilzunehmen. Man will ja viel Freude mit ihm erleben», so Bucher. In den Bereichen des Tierwohls und des Tierschutzes seien in den vergangenen zehn Jahren im Springreitsport enorme Fortschritte erzielt worden, schätzt Bucher die aktuelle Lage ein.

 

Widerstände ernst nehmen

Etwas anders sieht dies Corinne Lang. Sie ist Pferdephysiotherapeutin und kommt sehr häufig in Kontakt mit Pferden, die über längere Zeit über ihr Leistungsvermögen hinaus trainiert worden sind. Das sei aber nicht das Problem einer einzelnen Disziplin, sondern vielmehr generell des heutigen Reitsports. «Die Trainingseinheiten sind für die Pferde vielfach deutlich zu lang und unsachgemäss», bilanziert Corinne Lang. Die Folgen für das Pferd seien massiv: Viele hätten verkürzte und enorm verhärtete Muskeln, meist an mehreren Stellen des Körpers. Meist in Kombination mit eingeklemmten Nerven, was zu starken Bewegungseinschränkungen und Schmerzen bis hin zu unspezifischen Lahmheiten und Verletzungen führt. Bei einem geistig und körperlich fitten Pferd ist der Einsatz von Hilfsmitteln wie Gerte und Sporen gar nicht nötig, da es von sich aus freudig und kraftvoll mitarbeitet, ist Lang überzeugt. Kommt es zu Widerständen, könne man davon ausgehen, dass die Trainingsintensität zu hoch und die Belastung für das Pferd zu gross war. «Leider ist es immer noch weit verbreitet, bei Widerständen die Pferde in übereiltem Tempo gegen eine harte Hand zu treiben», so Lang.

 

Charakter ist entscheidend

Der Fall Estermann zeigt exemplarisch, dass der Konflikt zwischen Tierwohl und Ehrgeiz – wohl nicht nur im Spitzensport – durchaus vorhanden ist. Mit Ehrgeiz alleine lässt sich aber unsachgemässes und quälerisches Verhalten nicht rechtfertigen. Um es in den Worten der Generalsekretärin des SVPS, Sandra Wiedmer, zu sagen: «Schlussendlich ist es eine menschliche Frage, ob das Wissen zum Wohl des Pferdes im Umgang mit ihm eingesetzt wird oder nicht.»

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