Für einmal standen nicht Autos auf dem Platz vor der Grünau-Turnhalle, sondern rund 90 braune Kühe. Es waren dies nicht einfach normale braune Kühe. Nein, es waren die schönsten Exemplare aus den Ställen von zehn Neuenkircher und Hellbühler Landwirten. Im Sägemehlring standen die beiden Schau-Experten David Amrein aus Willisau und Daniel Küng aus Ruswil bereit. Sie sollten die Tiere in verschiedenen Abteilungen bewerten. Vor der Bewertung wurden die Tiere aber nochmals gebürstet und gewaschen. Überhaupt wird vor und an einer Viehschau generell viel gewaschen und geputzt. Die Landwirte wollen ihre Tiere von der besten Seite zeigen.
Höhepunkt
Die Viehschau in Neuenkirch findet nur alle zwei Jahre statt und ist für viele Bauernfamilien ein Höhepunkt im Jahr. Aber eine Viehschau ist auch aufwendig und nicht ganz ungefährlich. Die braunen Schönheiten bringen an die 700 Kilogramm Kampfgewicht und nicht selten eine rechte Portion Temperament mit. Um die Tiere zu betreuen, putzen, transportieren und vorzuführen, müssen viele Verwandte und Bekannte aufgeboten werden.
Die strengen Richteraugen haben in der Regel kein Auge für die schönen Kuhaugen. Sie beurteilen das Euter, schauen auf ein gutes Fundament und meinen damit anatomisch korrekte Beinstellungen, Sprunggelenke und Klauen. Denn die Kühe sind viel auf der Weide und/oder im Laufstall unterwegs und brauchen gesunde Beine. Auch der Rücken und das Becken betrachten die Experten ganz genau. Hier können sie mögliche Fruchtbarkeitsprobleme erkennen. Die Grösse und Körpertiefe einer Milchkuh wird ebenfalls bewertet. Sie geben einen Hinweis auf die Kapazität, Milch zu produzieren.
500 Liter Blut für einen Liter Milch
In den 13 Abteilungen am Samstagmorgen kam die Siegerin fünfmal aus dem Stall von Toni Muff, Werligen. Vier Siegerinnen stellte Bernhard Müller, Holzmatt. Je eine Abteilungssiegerin gehörte Roland Helfenstein, Rüeggeringen; Hanspeter Krauer, Bernhof; Fredy Zwyssig, Mittlerhommel und Beat Heini, Holderhuus. Am Nachmittag standen die Spezialwettbewerbe an. «Miss Protein» wurde Britta von Toni Muff. Britta ist demnach die Kuh, welche in der Milchleistungsprüfung den höchsten Proteingehalt in der Milch aufwies. Für die Milchleistungsprüfung werden Zuchtbetriebe regelmässig besucht und dabei die Milchmengen erhoben. Zudem werden Milchproben genommen, bei denen unter anderem der Milch- und Proteingehalt gemessen wird.
Ganz wichtig ist das Euter einer Milchkuh. Deshalb gibt es an einer Viehschau einen eigenen Wettbewerb – die Schöneuterkonkurrenz. Das Euter soll vier (und nur vier) gut verteilte Zitzen und gut sichtbare Adern zeigen. Denn damit ein Liter Milch entstehen kann, muss das Eutergewebe von rund 500 Litern Blut durchströmt werden. Die drei Schöneuterpreise für «1. Laktation», «Jüngere bis 5 Jahre» und «Ältere über 5 Jahre» gingen an Riga, Amelie und Phantome, die alle drei im Besitz von Bernhard Müller sind. Phantome, eine zwar schon etwas ältere Dame, überzeugte auf ganzer Linie, sodass sie von den Experten zur Miss Neuenkirch gekürt wurde.
Ganz schön herzig
Die Wahl zur Miss ist der Höhepunkt einer Viehschau. Eigentlich. Die Steigerung ist meist aber der Junior Cup: der Kälber-Wettbewerb. Dabei zeigen Kinder ihre mit Blumen geschmückten Kälbchen. Schön gekleidet in Tracht oder Edelweisshemd singen oder dichten sie ins Mikrofon, währenddem sie versuchen, das Kälbchen in Zaum zu halten. «Det äne am Bärgli det stoht e schwarzwissi Chueh. Sie het mer eis ghoue. Das tuet mer so weh. Ech mähle miner Läbtig kei schwärzwissi Chue meh», sang Sebastian Bucher und hatte die Braunviehzüchter natürlich auf seiner Seite. Gewonnen haben den Junior Cup in der Kategorie 1 Sophia Wolf und Yael Weber mit Kalb Barla. In der Kategorie 2 siegten Jules Stofer und Gian Stirnimann mit Kalb Baila. Remo Gut mit dem Kalb Danao entschied die Kategorie 3 für sich.
«Chueschwanzchilbi»
Am Abend der Neuenkircher Viehschau stand die obligate «Chueschwanzchilbi» auf dem Programm. Da werden traditionell die Treicheln an die siegreichen Züchter vergeben und auf das schöne Vieh angestossen. Viel zu reden gab, ob es vielleicht die letzte Viehschau der 133-jährigen Braunviehzucht-Genossenschaft gewesen sei. Denn die Landwirte und damit die Zuchttiere werden immer weniger. Das merkt auch die BVZG Neuenkirch. Morgens um zwei an der Bar war man sich aber sicher: Das war nicht das letzte Mal. Die Viehschau Neuenkirch darf nicht sterben.
