Bei Nieselregen wischte Andreas Meier am vergangenen Montagmorgen mit dem Pinsel über das Zahlengedicht, das an der Hauswand des Rainer Doppeleinfamilienhauses prangt. Weisse Farbstriche versteckten nach und nach die weissen Zahlen. Vor rund zwei Jahren brachte der Zahlenkünstler Andreas Meier zwei «Poems» an dieser Hauswand an (diese Zeitung berichtete). Diese «Kunst am Bau» hatte jedoch von Anfang an ein Ablaufdatum. Ein Kompromiss, damit Andreas Meier damals die «Poems» überhaupt auf die Hauswand malen durfte.
Nun stieg er diese Woche bereits das zweite Mal auf die Leiter, um seine Werke zu übermalen. Danach soll der professionelle Maler kommen, der die Hausrückwände wieder in einem einheitlichen Grau-Blau streicht. «Ich musste die ‘Poems’ zuerst selbst übertünchen, das wäre sonst nicht richtig gewesen», sagt Andreas Meier. Dass er mit seinen beiden Gedichten ein weiteres Mal «Kunst am Bau» macht, kommt für ihn nicht infrage. «Eine solch tolle Doppelhauswand finde ich nicht wieder», so Andreas Meier.
Tränen in der Farbe
Für den Künstler bedeuteten die beiden «Poems» nicht nur Kunst, für ihn sind Zahlen gleichzustellen mit Buchstaben, weshalb jeweils ein Gedicht aus Primzahlen und eines aus Worten bestand. An der linken Hauswand stand «Hort Fund»: «Ein Wort, ist ein Ort, wo du, dies und das, Hort est, Nord Süd und, West». Rechts war «Prime Tower» zu lesen: «31, 331, 3331, 33331, 333331, 3333331, 33333331». Diese beiden Gedichte widmete er seiner Frau Lydia Meier-Bernasconi.
«Mir sind Tränen in den Kessel getropft, als ich die weisse Farbe angerührt habe», so Andreas Meier. «Aber nachdem ich die ersten drei Zeilen des Poems «Hort Fund» übermalt hatte, habe ich gelacht.» Er habe ein Statement zur Vergänglichkeit der Kunst erzeugen wollen. Daher prangen jetzt anstatt der Buchstaben und Zahlen lediglich weisse Balken an der Hauswand. Die Gedichte sind auf den ersten Blick weg, aber immer noch da.