Diakon Erich Hausheer war es vergönnt, nebst dem koptisch-katholischen Seelsorger als Messzelebrant in Hildisrieden und Rain zahlreiche Gläubige zu begrüssen, welche sich aus erster Hand über die aktuelle Situation in Ägypten orientieren lassen wollten. In seiner Predigt erläuterte Pfarrer Samaan die Religionsstruktur des Grossstaates am Nil. Etwa zehn Prozent der bald 100 Millionen Einwohner sind koptische Christen, welche sich in mehrere Konfessionen aufteilen. Rund 90 Prozent der Ägypter zählen sich zu einer muslimischen Gemeinschaft. Bei der christlichen Minderheit gibt es mehrere Riten.
Diskriminierung der Christen
Ursprünglich war Ägypten ein christliches Land. Im siebten Jahrhundert begann der Islam Fuss zu fassen. Im Laufe der Jahrhunderte entstand ein muslimischer Staat. In den letzten Jahrzehnten wurden die Christen stark diskriminiert. Viele Rechte wurden ihnen vorenthalten. So wurde es ihnen versagt, öffentliche Funktionen zu erfüllen oder führende Positionen zu bekleiden. Die in den letzten Jahren erlebte Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit machten die Christen oft zu Opfern ihres Glaubens. Sie wurden zu Bürgern zweiter Klasse und erlebten Ausgrenzungen. Bei Gottesdienstbesuchen müssen sie teils heute noch, zum Schutz vor Terror-Anschlägen durch Extremisten, beim Betreten der Kirchen Metalldetektoren passieren.
«Präsident as-Sisi und die aktuelle Regierung sind sich dessen bewusst und bemühen sich um ein friedliches Zusammenleben der Religionen», so der hohe ägyptische Gast. Sie haben sich sehr darum bemüht, dass in der Hauptstadt nebst einer grossen neuen Moschee auch eine grosse christliche Kathedrale gebaut werden konnte. Vertreter weltlicher Behörden, so etwa muslimische Würdenträger, nahmen an den Einweihungsfeierlichkeiten teil. Imam Ahmed von der al-Aqsa-Moschee bezeichnete die Christen dabei als Partner seiner Religionsgemeinschaft.
Bildung und Gesundheit für alle
In Ägypten finden sich Vertreter der meisten Religionsgemeinschaften der Welt. Die Orthodoxen sind ebenfalls in verschiedene Glaubensrichtungen unterteilt. Die mit Rom unierte römisch-katholische Kirche zählt rund 300‘000 Gläubige, welche sich auf sieben koptisch-katholische Bistümer verteilen. Sie sind eine aktive Minderheit. Die Katholiken sind in verschiedene Riten aufgeteilt, so in die römischen, griechischen, syrischen, chaldäischen, armenischen Riten, welche jedoch sehr gut zusammenarbeiten. Die katholische Kirche geniesst in Ägypten hohes Ansehen zufolge ihrer Engagements in den Bereichen Bildung/Erziehung sowie Gesundheit. Er selber leitete während acht Jahren ein Waisenhaus, das von der katholischen Kirche aufgebaut wurde. In mehr als 140 Schulen wird landesweit ein beliebtes Bildungsprogramm angeboten, welches auch von Muslimen geschätzt wird. In allen Regionen des Landes führt die katholische Kirche Spitäler, in welchen für die Kranken unabhängig ihrer Konfessionszugehörigkeit wichtige Dienstleistungen erbracht werden. Mit Hilfsbereitschaft und Engagement zugunsten der Gesellschaft sowie starkem Vertrauen auf Gott haben sich die Katholiken mittlerweile wertvolle Anerkennung erkämpft. Dazu hat, so Professor Kamil Samaan, vor allem Kirche in Not durch die Unterstützung zahlreicher christlicher Projekte beigetragen, was er herzlich verdankte.
Hoffnung für Aufbruch
Trotz zeitweiliger Bedrohungen durch Extremisten sehen die Christen neue Hoffnungen, wozu auch die Dialogbereitschaft von Papst Franziskus mit hohen muslimischen Geistlichen beiträgt. Als grosser, über Ägypten hinaus beachteter Fortschritt gilt die mit muslimischer Unterstützung erfolgte Ernennung einer koptischen Christin zur Gouverneurin einer Provinzverwaltung. Damit wurden der Gerechtigkeitssinn sowie die gelebte Menschenwürde der Politikerin ausgezeichnet.
Durch Ordensleute laufen seit einiger Zeit Bestrebungen zur Betreuung junger Frauen, welche von ihren Angehörigen aus verschiedenen Gründen verstossen wurden. Die Kirche bemüht sich um die Schaffung neuer Perspektiven für diese Benachteiligten. Seit einigen Monaten arbeitet Kamil Samaan zusammen mit Bischöfen am Aufbau eines Zentrums für Missbrauchsopfer – ein Bedürfnis, das leider auch in Ägypten besteht. Die vielfältige gemeinnützige Arbeit der Christen ist in Ägypten nicht mehr wegzudenken – sie ist Grundlage einer neuen Hoffnung.