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Sempach

Betroffene wünschten sich Vorwarnung

Geri Wyss 23. Juli 2020

Von den starken Gewitterregen am Donnerstag, 2. Juli, war auch das Gebiet Seesatz in Sempach betroffen. Die Anwohner kreiden an, dass keine Vorwarnungen bestand und sie völlig vom Hochwasser überrascht worden sind.

Gewitterzellen mit heftigen Niederschlägen zogen am Donnerstagnachmittag, 2. Juli, über den Kanton Luzern. Von Überflutungen und Hangrutschen betroffen waren auch Teile des Raums Oberer Sempachersee (siehe Kasten). Die grosse Aa war einer der Bäche, die innert kurzer Zeit zu einem reissenden, braunen Strom geworden waren. Und das Gebiet Seesatz in Sempach bekam dies ganz besonders zu spüren. «Wir sind völlig vom Hochwasser überrascht worden», sagen Kurt Helfenstein, Bruno Gut und Aziz Chtaiki unisono. Es habe zwar geregnet an diesem Nachmittag, doch niemals so stark, als dass man hätte eine solche Flut erwarten können, erzählt Bruno Gut. Auch Nachbar Aziz Chtaiki fuhr nach der Arbeit etwa um sieben Uhr nach Hause und wiegte sich in Sicherheit. «Der Bach war zwar angeschwollen, blieb aber noch deutlich unter einer kritischen Marke, die beim Durchlauf unter der Brücke über die Luzernerstrasse ersichtlich ist.» Dort sei auch ein Warnsensor eingebaut, wenn es zu einem Hochwasser komme, weiss Chtaiki.

 

Plötzlich war Flut da

Um neun Uhr aber kam dann plötzlich eine braune, reissende Brühe. «Das war wie eine Flutwelle», beschreibt Kurt Helfenstein. Der Bach trat über die Ufer und floss auch innert Kürze über die Luzernerstrasse, weil das Wasser nicht mehr unter der Brücke durchfliessen konnte. Die Schäden waren enorm. Kurt Helfenstein erlitt etwas geringere Schäden, weil sein landwirtschaftlicher Betrieb vor der Strasse liegt. Die oberhalb der Brücke gelegenen Häuser nahe der grossen Aa traf es aber weit schlimmer.«Bei mir stand das Wasser 1,20 Meter hoch im Keller, sagt Aziz Chtaiki. Bei der Familie Gut war der Keller sogar 1,70 Meter hoch mit Wasser gefüllt. Bruno Gut befand sich, als das Wasser um elf Uhr langsam zurückging, immer noch hüfttief im Wasser. Pikanterweise sei er davon ausgegangen, dass die Feuerwehr, die schon am Abpumpen des Wassers war, den Strom abgestellt hätte. Doch das war nicht der Fall. Als es nach Verbranntem gerochen habe und etwas Rauch emporgestiegen sei, habe er den Keller rasch verlassen.

 

Mulden mit zerstörtem Inventar

Warum seien sie nicht vorgewarnt worden, dass dieses Wasser komme, fragen sich die Bewohner des Seesatzes. «Andere Quartiere wie etwa die Rippertschwand in Neuenkirch verzeichneten bereits um sieben Uhr Überflutungen», erläutert Kurt Helfenstein. «Sie oder auch der Kanton hätten doch die Sempacher und auch uns informieren können. So wären wir vorbereitet gewesen und hätten sicher noch einiges Material aus den Kellern holen können.» So aber haben die Bewohner des Seesatzes Schäden erlitten, die Bruno Gut beispielsweise mit rund 80’000 Franken beziffert. «Ich habe zwei Mulden mit zerstörtem Inventar gefüllt.» Aziz Chtaiki mutmasst gar, dass der Seesatz insgesamt etwa Schäden von rund 0,5 Millionen Franken erlitten habe. Zusätzlich kommen grosse Schäden im Industriegebiet und bei der Ara. «Hätte es eine Hochwasserwarnung gegeben, müssten nun die Versicherungen auch nicht so viel bezahlen.»

 

Weniger Wasser versickert

Ein Grund für die grossen Schäden liege sicher auch darin, dass immer mehr gebaut werde, was die Versickerung des Wassers verringere, sagt Kurt Helfenstein. Bruno Gut und Aziz Chtaiki zeigen sich besorgt, dass der Wasserdruck in ihren Kellern wegen der Seenähe und bevorstehender Neubauten im Einzugsgebiet immer grösser werde. «Der Hochwasserschutz bei der grossen Aa ist zwar verbessert worden», sagt Gut. «Doch das reicht offenbar nicht aus. Vielleicht sollte man beim Bach grundsätzlich über die Bücher gehen oder zumindest noch mehr Retentionsbecken in Betracht ziehen», findet er. Doch von heute auf morgen passiere da noch nichts. Mit einer gezielten Hochwasserwarnung im Seesatz wäre aber sofort geholfen, «dass solche Schäden in diesem Ausmass vermieden werden können.»

 

Lokale Gewitterprognosen sind schwierig

Der starke Gewitterregen vom 2. Juli führte zu Hochwasser, das im Raum oberer Sempachersee die Dörfer Sempach Station, Neuenkirch und Hellbühl betraf. Gemäss Auskunft des Kommandanten der Feuerwehr Neuenkirch, Fabian Huwiler, stand in Büezwil die Bahnunterführung unter Wasser und im Quartier Rippertschwand mussten Keller ausgepumpt werden. «Bei solchen Gewitterregen, die zu Überflutungen in kürzester Zeit führen können, Anwohner rechtzeitig vorzuwarnen, ist fast nicht möglich.» Wohl habe es Wetterwarnungen gegeben, doch wo genau wann ein Gewitter losbreche, sei daraus kaum abzuleiten.

 

Ein Wald von Warnungen

Die Warnung vor Naturgefahren ist grundsätzlich eine Bundesaufgabe. Unwetterwarnungen erfolgen über verschiedene Kanäle wie etwa die Website www.naturgefahren.ch und die Apps von Meteoschweiz oder Alert-Swiss. Daneben gibt es noch Angebote Privater, die ebenfalls Warnungen auch als Abodienst herausgeben. Eine ganze Fülle an Warnungen, die erst noch relativ häufig auftreten. «Wertet man vergangene Warnungen und Ereignisse aus, sieht man, dass die verbreiteten Warnungen gerade bei den gewitterbedingten Starkniederschlägen vom 2. Juli noch relativ unzuverlässig sind», sagtClaudio Wiesmann, Projektleiter Naturgefahren bei der kantonalen Dienststelle Verkehr und Infrastruktur (vif). Dies hänge damit zusammen, dass die Gewitteraktivität kleinräumig stark variiere und die zurzeit für die Prognose verwendeten Instrumente diese lokalen Phänomene noch nicht genügend präzise abzubilden vermochten.

 

Fokus auf lokalen Prognosen

Eine verlässliche und frühzeitige Vorhersage von Hochwasserabflüsssen auch für kleine Bäche wäre jedoch die Voraussetzung für die rechtzeitige Intervention der Feuerwehr und auch von betroffenen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern. «Deshalb laufen intensive Bemühungen, solche Prognosen zu verbessern», sagt Wiesmann. Im Rahmen eines Pilotprojekts würden Zweistunden-Hochwasserabflussvorhersagen auf Basis der Niederschlagsprognosen von Meteoschweiz erstellt und ausgewertet. «Dieses Projekt hat Anfang dieses Jahres gestartet und dauert zwei Jahre.»

 

Sind frühere Daten überholt?

Die grosse Aa ist 1999 im Abschnitt Kantonsstrasse bis zum See und ein Jahr später zwischen Adelwil und Gottsmänige ausgebaut worden, ausgerichtet auf ein Hochwasserereignis, wie es alle hundert Jahre einmal zu erwarten ist (HQ100). «Ein hundertjährliches Ereignis bedeutet aber nicht, dass ein solches Hochwasser nur alle hundert Jahre auftritt», präzisiert Claudio Wiesmann. Theoretisch könne es jederzeit vorkommen. «Im Schnitt tritt ein solches Ereignis aber alle hundert Jahre auf, daher auch der Name», führt Claudio Wiesmann aus. Tatsache ist jedoch, dass Starkniederschläge zukünftig häufiger und intensiver auftreten könnten, wie die Schweizer Klimaszenarien CH 2018 aufzeigen.

Der Kanton ist gemäss dem Projektleiter Naturgefahren derzeit mit dem beauftragten BüroTeam Oeko-b AGdaran, das Ereignis vom 2. Juli zu dokumentieren und auszuwerten. «Sobald Resultate vorliegen, werden wir diese analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden.»

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