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Sempach

«Der Dichter sucht den Klang»

Céline Estermann-Erni 30. Mai 2021

Es war Michael Engelhardts erster Auftritt in der Sempacher Tuchlaube, als er am Samstag Abend vor knapp 30 Zuhörenden Hölderlin rezitierte und über dessen Leben und Wirken zu berichten wusste.

«Wir wurden von einem Bekannten auf den Anlass aufmerksam gemacht, aber wir haben keine Ahnung, was uns erwartet». So lauteten die Worte eines Tuchlaube-Besuchers am letzten Samstagabend. Und damit war er wohl nicht der Einzige. Natürlich, Hölderlin ist vermutlich allen Liebhabern der deutschsprachigen Poesie ein Begriff. Was man sich hingegen unter einer klangvollen Rezitation durch Michael Engelhardt vorstellen sollte, waren bestenfalls vage Vermutungen. Dann betrat der Protagonist die Bühne und vermochte bereits mit der ersten Silbe der Ode Blödigkeit das Publikum in seinen Bann zu ziehen.

Engelhardts sonore Stimme erfüllte den Raum, sein Spiel mit dem Versmass und Tonhöhen erweckten den Eindruck, er singe. Die rhythmischen Wogen des Gedichts wurden akzentuiert durch seine Gestik, beinahe einem Dirigenten gleich, und mit subtilen Bewegungen unterstrich er den Inhalt des Gesprochenen. Mit dieser Ode schuf Michael Engelhardt einen Auftakt, wie er ihn besser nicht hätte wählen können, er vereinnahmte die Zuhörerschaft vom ersten Moment an bis zum letzten Satz.

 

Exkurs in die Philosophie

Nach diesem klingenden Auftakt stellte Michael Engelhardt dem Publikum die leitende Frage des Abends. Was tun Dichter? In einem kurzen philosophischen Exkurs hielt er fest, dass Sprache immer auf Klang basiert, dass die Poesie auf einer mündlichen Tradition beruht und dass es seine Aufgabe ist, die Menschen daran zu erinnern, dass die gesprochene Sprache es schafft, die Glocke des höheren Erlebens anzuschlagen. Danach nahm der Exil-Deutsche eine kurze Verortung Hölderlins in der Geschichte vor und erzählte von dessen geistiger Verbrüderung mit Hegel und Schelling. Gespickt waren seine Erzählungen immer wieder mit passenden Gedichten Hölderlins, die einen Einblick in die bildgewaltige Gedankenwelt des zeitlebens verkannten Genies gaben.

 

Interaktion findet statt

Für Michael Engelhardt ist es ein Privileg, wieder auftreten zu dürfen, wie er am Ende des Abends sagte. Er freue sich besonders auch auf die Auftritte am Lucerne Festival am 25. August in Luzern, wo eine Symbiose zwischen Hölderlin Gedichten und Beethovens Bagatellen entsteht. Aber auch Auftritte auf kleinen Bühnen schätzt der Bühnenkünstler. «Ich kann zwar nur die Hälfte der Gesichter im Publikum unter den Masken sehen, aber trotzdem findet eine nonverbale Interaktion statt», sagt Engelhardt, der gerade auch die intime Atmosphäre der Kleinbühnen schätzt. Und eine Anekdote hat der 61-Jährige noch auf Lager: Nachdem er den Artikel über sich in der vergangenen Ausgabe dieser Zeitung gelesen habe, sei ein Satz hängen geblieben. Troubadoure fallen gerne durch die Maschen. Das habe ihn zum Nachdenken angeregt und er fragte sich: Wohin falle ich denn? Und dann kam er zum Schluss: «Ich falle immer noch; aber mit Hölderlin zu fallen, ist ungemein befriedigend.»

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