Der Stadtrat besteht aus fünf Mitgliedern, doch wenn er einen Entscheid gefällt hat, wird dieser mit einer Stimme nach aussen getragen. Das wird erwartet, doch dieses Kollegialitätsprinzip funktioniert nicht ausnahmslos, wenn man beispielsweise an Indiskretionen denkt, die es im Bundesrat auch schon gegeben hat. Der Sempacher Stadtpräsident Jürg Aebi hat zusammen mit seinen Exekutivkollegen bezüglich der Zusammenarbeitskultur aber den Stempel aufgedrückt.
Jürg Aebi, wie läuft es ab, wenn der Sempacher Stadtrat Geschäfte behandelt und Entscheide fällt?
Wir treffen uns alle zwei Wochen zur Stadtratssitzung, zu der am Freitag der Vorwoche die Traktanden festgelegt und die Unterlagen an alle Stadtratsmitglieder verschickt werden. Die Sitzung wird von mir geleitet. An der Sitzung wird über die Geschäfte debattiert und am Ende ein Entscheid gefällt.
Im Stadtrat sitzen fünf Mitglieder. Falls sich nun jemand enthalten würde: Kommt es oft zu einem Patt?
Seit ich Ende Juni 2020 als Stadtpräsident gewählt worden bin, hat es ganz wenige Fälle gegeben, bei denen ich einen Stichentscheid fällen musste. Ein Ziel im Stadtrat ist es immer, offen und ehrlich und umfassend zu debattieren, bis wir uns am Ende finden und einen gemeinsamen Entscheid treffen können.
Und wenn kein einheitlicher Entscheid zustande gekommen ist: Kommt es vor, dass ein Stadtrat auf der Strasse einer Bürgerin oder einem Bürger bekennt, dass er eigentlich anderer Meinung wäre, als der Stadtrat als Gesamtgremium entschieden hat?
So etwas wäre für mich ein absolutes No-Go und es kommt, meines Wissens, auch nicht vor. Der Stadtrat tritt nach aussen mit einer Stimme auf. Wir haben gerade in diesem Herbst erneut die Richtlinien bezüglich der Zusammenarbeitskultur im Stadtrat bestätigt und neu verabschiedet.
Und was besagen diese, kurz auf den Punkt gebracht?
Wir lösen Sempachs Aufgaben gemeinsam und transparent und kommunizieren offen und transparent mit einer Stimme nach aussen. Alle haben sich auch dazu bekannt, dass der Stadtrat sich über die Ziele einig ist und ein gemeinsames Verständnis dafür hat. Auch klar ist, dass wir die Interessen der Stadt sowie Anliegen und Themen der Bevölkerung wahrnehmen und diese über die eigenen Interessen stellen.
Und das funktioniert immer?
Wir leben grossen Wert darauf, dass der Stadtrat Sempach das Kollegialitätsprinzip lebt, und wir spiegeln unser Vorgehen auch ständig, insbesondere in einer jährlichen umfassenden Reflexion.
Nun gibt es sicherlich Diskussionen zu Sachgeschäften, bei denen einzelne Mitglieder in besonderer Weise betroffen sind. Was geschieht in einem solchen Fall?
Der Stadtrat hält sich strikt daran, dass einzelne Mitglieder bei möglichen Interessenskonflikten immer in den Ausstand treten. Das heisst, sie verlassen den Raum, noch bevor die Diskussion zu einem Geschäft startet.
Können Sie ein Beispiel geben?
Ich bin Verwaltungsratspräsident der Meierhöfli AG. Wird nun im Stadtrat – die Stadt ist einer der Eigner des Meierhöflis – die Entwicklung des künftigen neuen Alters- und Pflegezentrums behandelt, habe ich als Verwaltungsratspräsident zwar klare Haltungen und Ziele. Ich trete jedoch als Stadtpräsident in den Ausstand und verlasse das Sitzungszimmer, um die Meinung innerhalb des stadträtlichen Gremiums nicht zu beeinflussen. Sämtliche Interessensverbindungen der einzelnen Stadträte sind übrigens auf der Website der Stadt auch ersichtlich, unter «Stadtrat» sind alle offengelegt.
Auf diesem Papier kann man unter anderem lesen, dass die neue Stadträtin für das Ressort Finanzen und Sicherheit, Ermi Krieger, immer noch Präsidentin des Gewerbevereins oberer Sempachersee ist. Die Interessen des GOS können andere sein als jene des Stadtrats. Kein Problem?
Die Ausstandsregel gilt, wie für alle anderen Stadtratsmitglieder, natürlich auch für Ermi Krieger.
Das Schweizer Milizsystem lebt ja gerade von einer Politik, welche eine grosse Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern kennt. Auch Sie werden von Menschen aus Sempach auf der Strasse angesprochen und es werden Anliegen an Sie herangetragen. Wie antworten Sie dann?
Ich nehme das Anliegen auf und leite es an den zuständigen operativen Bereich weiter. Dies ganz im Sinne der Trennung der strategischen, des ressortverantwortlichen Stadtrats, und der operativen Organe, also der Geschäftsleitung respektive Bereichsleitung. Natürlich will ich dann jeweils über das weitere Vorgehen informiert werden. Es kann ja sein, dass ich erneut auf das Thema angesprochen werde.
Ist diese Nähe zur Bevölkerung eine Chance oder birgt sie auch Gefahren?
Es gibt Vor- und Nachteile. Als wertvoll erachte ich die Nähe zur Bevölkerung, damit man den Puls der Menschen spüren kann. Auch bringen deren Ansichten dienliche Inputs für Diskussionen im Stadtrat. Als Nachteil kann man vielleicht sehen, dass ich als Stadtrat oder, wie in meinem Falle als Stadtpräsident, kaum mehr ein privates Leben habe und bei jedem auch privaten Aufenthalt im Städtli auf ein Thema angesprochen werden kann. Damit muss man umgehen können, das gehört halt auch zu dieser Funktion und zum Job. Für mich ist das aber überhaupt kein Problem und belastet mich kaum.
GOS: Die Suche geht weiter
Präsidium Die Sempacher Finanzvorsteherin Ermi Krieger ist vorderhand weiterhin Präsidentin des Gewerbevereins oberer Sempachersee (GOS). Wie der Vorstand des GOS seine Mitglieder mit einem Schreiben im Frühling informiert hatte, sei ein Nachfolgeprozess für das Präsidium eingeleitet worden. Dieser brauche jedoch Zeit, weil es dem Vorstand wichtig sei, eine nachhaltige Lösung zu finden. Im Falle eines Sachgeschäftes, welches der GOS gegenüber dem Stadtrat vertreten müsse, werde dies Vizepräsident Flavio Kramis zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied tun. Bei einem gegebenen Interessenskonflikt werde Ermi Krieger als Stadträtin die geltende Ausstandsregelung gemäss Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege (VRG) befolgen, hatte der GOS-Vorstand weiter festgehalten. WY