Das neuste Stück, «Kassandras Baby» heisst es, der beiden Dramatikerinnen Katja Brunner und Martina Clavadetscher erzählt von einer jungen Frau namens Mara, die ungewollt schwanger wird und damit umzugehen lernen muss, während ihr ungeborenes Baby zu ihr spricht. Die Zuschauenden erleben die Geschichte aus Sicht des Fötus und sitzen im «Mutterbauch», einer modernen Theaterinstallation, entworfen vom Theaterkollektiv «Groupe Nous». Ein alter Anhänger, der früher die Tätigkeit als mobile Autogarage übernahm, bildet einen von der Umwelt isolierten Raum. Der gesprochene Text wird über ein 3D-Audiosystem in absoluter Dunkelheit, die nur selten von Lichtimpulsen unterbrochen wird, abgespielt.
Einer von Vielen
Der in Sempach aufgewachsene Patrick Slanzi ist freischaffender Künstler und Teil der «Groupe Nous». Es war nicht sein Bubentraum, Schauspieler zu werden. Durch den Anstoss eines guten Freundes besuchte er während seiner Kantizeit in Luzern das Freifach Theater. «Von dort aus erhielten drei Kollegen und ich eine grössere Statistenrolle für ein Stück am Luzerner Theater», so der heute 32-Jährige. Bühnenerfahrung hatte er zuvor schon durch das Musikspielen gesammelt. Später folgte eine Sprechrolle im Stück «Igraine Ohnefurcht». «Ich fand es spannend, wie die Schauspielenden und die Bühnenarbeitenden hinter der Kulisse miteinander umgingen und wie sich ihre Arbeit nicht wie Arbeit, sondern wie Vergnügen anfühlte.» Von den Schauspielkollegen habe er viel Zuspruch erhalten, sodass er sich nach der Kanti für ein Schauspielstudium entschied. «Einen der wenigen Studienplätze zu erhalten war eine mega Tortur», erinnert sich Slanzi. Im deutschsprachigen Raum gebe es nur 20 Schulen, die pro Jahrgang zwischen 10 und 20 Studenten aufnähmen. «Von gut 600 Bewerbern schafften es nur etwa 100 in die zweite Runde. Von diesen wurden in der dritten Runde die zukünftigen Schauspielstudenten ausgewählt.»
Man müsse das gewisse Etwas haben, das die Dozenten vom eigenen Potenzial überzeuge. So gelangte Patrick Slanzi nach dem Auswendiglernen mehrerer klassischer und moderner Monologe, dem Vorsingen von Liedern sowie dem Vortragen von Gedichten an die Zürcher Hochschule der Künste, die er 2015 mit dem Master of Arts abschloss.
Aus Jux wurde Ernst
Laut Patrick Slanzi hat ein Schauspieler nach dem Studium zwei Möglichkeiten, seinen Berufsalltag zu gestalten: Entweder er nimmt eine Festanstellung an einem Theater an oder er arbeitet als freischaffender Künstler. Der gebürtige Sempacher entschied sich für das Zweite. Bereits während dem Studium habe er mit seinem Kollegen Jonathan Bruckmeier begonnen, an einer speziellen Form des Theaters rumzuexperimentieren. «Es war das Jahr 2013 und an der Hochschule fand ein Theaterfestival statt. Die Studenten hatten den Auftrag, Eigenkompositionen zu entwickeln und diese in allen möglichen Räumen der Schule aufzuführen», so Slanzi. Zu dieser Zeit seien autogene Trainings (Methode der Entspannung) angesagt gewesen. Ihre Eigenkomposition wollten Patrick Slanzi und Jonathan Bruckmeier im Kontrast dazu erschaffen – um die Leute zu provozieren. Also führten sie ihr Stück in einem stockdunklen Raum auf. «Die Leute sprangen drauf an. Wir fanden es plötzlich spannend zu sehen, dass es nicht um ein intellektuelles Begreifen geht, sondern vielmehr ums Erleben.» Die beiden führten ihren anfänglichen Jux weiter, gründeten die «Groupe Nous» und schufen mit «Kassandras Baby» nun schon ihre vierte grössere Produktion. Patrick Slanzi freuts: «Wir haben Lust und sind motiviert, an dieser Art von Theater weiter zu forschen.»
Ein harter Job
Nebenbei arbeitet der Schauspieler auch als Fernseh- oder Kinowerbesprecher, etwa für Ifolor, Rivella und Fiat. «Wenn man freischaffend ist, muss man nehmen was kommt. Man kann zwar immer selbst entscheiden, ob man einem Auftrag zusagen will, aber man muss vielseitig unterwegs sein.» Patrick Slanzi findet es wichtiger, sich mit dem Schauspielberuf auseinanderzusetzen, statt das Ziel, berühmt zu werden, zu verfolgen. Ständiger Konkurrenzkampf, kritische Bewertungen, wenige Stellenangebote und viele «Neins» seien Alltag im Berufsleben. «Ein Jungschauspieler merkt schnell, dass sein Job immer brotlos und hart sein wird. Aber ich rate jedem, der trotzdem Bock darauf hat: Go for it. Man hat auch unglaubliche Freiheiten, weil keiner einem vorschreibt, was man zu tun und zu lassen hat.»
«Kassandras Baby» ist eine coronakonforme Theaterinstallation für Kleingruppen. Weitere Infos und Tickets sind unter www.groupenous.org erhältlich.