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Sempach

Hier wird das Wohnen Geschichte spürbar machen

Geri Wyss 02. Dezember 2020

Zeitgenössisches Wohnen mitten in der Altstadt: Was es alles braucht, um dies möglich zu machen, zeigen die Bauarbeiten beim Haus Heissenstein und dem Neubau nebenan.

Das Haus Heissenstein an der Kronengasse ist eines der altehrwürdigen Häuser im Städtli. Ursprünglich bestand es aus zwei Gebäuden, die um 1835 unter einem Dach zusammengefasst worden waren. Auch wenn zur Geschichte vieles nicht bekannt ist, scheint doch gesichert, dass in die Südwestflanke des Hauses ein alter Steinbau integriert ist, der im Luzerner Bauinventar mit dem 15. Jahrhundert datiert ist, eventuell auch älter. Es handelt sich dabei um den ältesten Steinbau in der östlichen Häuserzeile der Stadtstrasse.

 

Schützenswertes Haus

In diesem Umfeld hatte die Korporation Sempach die anspruchsvolle Aufgabe zu lösen, das Haus Heissenstein zu sanieren und den erwähnten Neubau so zu konzipieren, dass er sich ins bauhistorisch wertvolle und sensible Umfeld der Altstadt einfügt. Das Projekt der Luzerner Büro Roman Hutter Architektur GmbH hatte eine Fachjury am meisten überzeugt. Die kantonale Denkmalpflege, welche das Haus Heissenstein als schützenwert eingestuft hat, hatte zusammen mit der Altstadtkommission die Vorgabe gemacht, möglichst viel historische Bausubstanz zu erhalten. Was dies bedeutet, wird klar, wenn man sich auf einen kurzen Rundgang durch die Baustelle macht. 

 

Mit Stroh und Haaren armiert

Im Haus Heissenstein ist gegenwärtig der Innenausbau in vollem Gang. Vor Kurzem sind die Fenster eingebaut worden. Wie es sich für einen Altbau gehört, knarren die Treppen, sind die Räume verhältnismässig tief und die Fenster eher klein, aber zahlreich. Böden und Wände sind momentan in den meisten Räumen noch kahl, was aber seinen besonderen Reiz hat. Die alte Bauweise ist zu erkennen, etwa bei einer Wand, welche aus schmalen, verputzten Querlatten besteht, zwischen denen auch Stroharmierungen sichtbar sind. Anderswo wurde Kalbshaar als Armierung eingesetzt. Ein anderer Raum weist eine Steinwand auf und ein weiterer überrascht sogar mit einer Fachwerkmalerei.

 

Durchnummerierte Teile

«Vieles werden wir erhalten können», sagt der Sempacher Korporationspräsident Joe Ineichen. Die meisten Wände werden zwar aus Täfer sein, doch da und dort wird die alte Bausubstanz sichtbar bleiben. So im Dachgeschoss, in welchem sich alte und neue Holzbalken zusammen mit den Steinwänden vereinen. Was es unter anderem konkret heisst, möglichst viel historische Bausubstanz zu bewahren, führt Daniel Scheuber von der Roman Hutter Architektur GmbH aus. «Bei den Parkettböden und Wänden musste man alle Teile herausnehmen, durchnummerieren, restaurieren und wieder einbauen.» Ein grosser Aufwand, der viel Fachwissen voraussetzt.

 

Feuchtigkeit als Spielverderber

Entsprechend ist die Sanierung des Hauses Heissenstein auch nicht ganz günstig. Die Korporation Sempach hat dafür und für den Neubau nebenan 3,3 Millionen Franken veranschlagt. Nach Auskunft von Joe Ineichen wird man diesen Kostenrahmen einhalten können. Selbstverständlich ist dies nicht, sind doch gerade bei Altbauten immer wieder Überraschungen möglich. Das war auch beim Heissenstein nicht anders. «Wir haben einige Balken, die wir eigentlich behalten wollten, wegwerfen müssen», führt Joe Ineichen aus. Sie waren total verfault. Daniel Scheuber erklärt die Ursache. «Die Keller des Hauses Heissenstein sind in den Sandstein gemeisselt worden. Von diesem Untergrund ausgehend konnte Feuchtigkeit auf das darüber liegende Haus einwirken.» 

 

Täfer schützt Malereien

Zurück zu den Fachwerkmalereien, die rund 200-jährig sind. Sie werden hinter Holztäfer verschwinden und dadurch für die Nachwelt erhalten.  «Der Raum könnte von der Grösse her als Kinderzimmer dienen. Wir haben es deshalb nicht als sinnvoll erachtet, die alten Wände frei zu belassen», führt Daniel Scheuber aus. Doch grundsätzlich wäre dies möglich gewesen, bestätigt auch Gebietsdenkmalpfleger Marcus Casutt. «Man sucht immer individuelle Lösungen und schaut alles miteinander an. Es geht darum, so viel alte Substanz wie möglich zu erhalten, aber ebenso auch zeitgenössisches Wohnen zu ermöglichen.»

 

Sogar ein Garten ist vorhanden

Das wird eindrücklich ersichtlich im Neubau nebenan, der nur ein schmaler, offener Treppengang entfernt neben dem Haus Heissenstein steht. Er lugt etwas hinter dem Altbau hervor, ohne sich vorzudrängen. Die Neigung des Giebeldachs, die kleinen Fenster, die Dimension insgesamt – all dies passt zum Ensemble der Häuser rundherum. Gleichwohl tut dieses Gebäude nicht so, als wäre es alt, sondern setzt einen klaren, zeitgenössischen Akzent. Wie schon im Haus Heissenstein mit dessen beiden doppelstöckigen 3 1/2-Zimmer-Wohnungen sind auch die zwei 4 1/2-Zimmer-Wohnungen im Neubau auf zwei Etagen verteilt. Viel Wohnraum inmitten des Städtlis, zu welchen erst noch ein Stück Garten gehören wird.

 

Korporationsholz verbaut

In beiden Bauten wurde praktisch ausschliesslich Holz aus den Wäldern der Korporation Sempach verbaut. «Wir konnten so aus einem vielfältigen Repertoire schöpfen», erzählt Daniel Scheuber, «Buchen, Eichen, Eschen, Fichten und Rottannen.» Joe Ineichen ergänzt, dass sogar von Käfern befallenes Holz als Konstruktionsholz verwendet worden sei. Alles Holz wurde in der Sägerei Dahinden, Hellbühl, verarbeitet und von der Sempacher Helfenstein Muff Holzbau AG eingebaut. An der Kronengasse sind also Bauten mit echt regionalem Charakter entstanden, von welchem das hiesige Gewerbe profitieren konnte.

 

Mehr Komfort im Schtei

Der Kulturkeller im Schtei im Untergeschoss des Neubaus sieht rein äusserlich immer noch so aus wie vorher. Es ist der bekannte Felsenkeller, nur etwas voluminöser ist er geworden. Der Boden ist betoniert, genauso wie die kleine, vormals hölzerne Bühne, die verkabelt nun über Stromanschlüsse verfügt. Darüber werden sich ab nächstem Frühling ein Foyer für die Konzertbesucher und weitere Räumlichkeiten für Musiker und Sängerinnen befinden. 

Der neue Schtei wird am Wochenende des 16. bis 18. April 2021 wiedereröffnet werden. Der Bezug der Wohnungen im neuen Haus an der Kronengasse und im nebenstehenden, sanierten Haus Heissenstein ist am 1. Mai des nächsten Jahres geplant. «Wir sind auf gutem Weg dazu, der Terminplan wird eingehalten werden», sagt Korporationspräsident Joe Ineichen. Auch schon gebe es Interessenten, die sich unverbindlich gemeldet hätten. Über die Mietpreise kann er noch keine Auskunft geben. Die würden nun von der zuständigen Immobilienfirma berechnet.

 

Warum «Heissenstein»?

Zum Namen «Heissenstein» äussert sich u.a. Alfred Helfenstein, Werken und Wirken zu Sempach der kleinen Stadt», 1974. Er vertritt die (nicht zu erhärtende) Hypothese, der Heissenstein war vor der Errichtung des Rathauses Gerichtssitz und schlägt von diesem Gerichtssitz den kühnen Bogen zum Namen «Heissenstein» («daher der Name»). Helfenstein bezog sich damit evtl. auf das Deutsche Rechtswörterbuch, das unter dem Begriff «Heissenstein» als die eine Interpretationsvariante den «Gerichtsstein in Frankfurt am Main» vorschlägt. Die zweite Variante, das «Spielhaus», verweist ebenfalls nach Frankfurt am Main – die Verbindung vom Sempacher Heissenstein zum Frankfurter Heissenstein hat etwa Gottfried Boesch gemacht. Und eine dritte Interpretation geht davon aus, dass warme Quellen am Hang oberhalb des Hauses allenfalls Einfluss auf die Namensgebung hatten.
 
Betr. Gebäudedatierung geht Christoph Rösch davon aus, dass das aktuelle Gebäude auf das 18./19. Jahrhundert zurückgeht. In der Südwestecke des Gebäude ist allerdings ein älterer gemauerter Steinbau integriert. Evtl. ist es jener, auf den das kantonale Bauinventar die Datierung des Heissenstein mit «15. Jahrhundert, evtl. älter» abstützt. Interessant ist dieser Steinbau deshalb, weil es sich um den einzigen bekannten Steinbau in der östlichen Häuserzeile der Stadtstrasse handelt.

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