Im Seesatz biegt die Zufahrt zum Sonnhof ab. Von der vielbefahrenen Luzernerstrasse her kommend, passiert man einige Industriegebäude und fährt dann unvermittelt auf einer Naturstrasse, die auch als Veloroute signalisiert ist, ins Grüne. Die kleine Aa überquerend und vorbei an einem Retentionsweiher, erreicht man wenige Augenblicke später den südlich von Sempach gelegenen, knapp 24 Hektaren grossen Landwirtschaftsbetrieb von Joe Ineichen. 45 Milchkühe und 240 Mastschweine nennt er sein Eigen, daneben baut er noch Mais und Dinkel an. Fette Wiesen prägen das Bild, hier wird intensive Landwirtschaft betrieben.
Was aber auch auffällt, sind die Hochstamm-Obstbäume – 19 Prozent der Betriebsfläche sind ökologische Ausgleichsflächen, die deutlich über den gesetzlich geforderten sieben Prozent extensiver Flächen liegen – und der schon erwähnte Retentionsweiher, in den das Drainagewasser der Felder fliesst und wo sich das Phosphor am Boden absetzen kann. Dadurch gelangen weniger Wasser und somit auch Nährstoffe in die kleine Aa. Nach einigen Jahren wird der Weiher jeweils ausgebaggert und der nährstoffreiche Boden wieder auf den Feldern ausgebracht.
Eine Frage der Gesinnung
«Für mich ist klar, dass ich so viel wie möglich für die Umwelt machen will, denn die Seegesundung liegt mir am Herzen», sagt Joe Ineichen. Er muss es wissen, sass er doch jahrelang im Vorstand des Gemeindeverbands Sempachersee, der für die seeinternen Sanierungsmassnahmen (Seebelüftung) zuständig ist. 1999 dann startete der Kanton mit den freiwilligen Seeverträgen, in denen sich Landwirte gegen Entschädigung verpflichteten, weniger Phosphor auf ihre Felder zu bringen, als dass die Pflanzen eigentlich nötig hätten. Joe Ineichen machte bei den Seeverträgen von Beginn weg mit. Es sei eine Frage der Gesinnung, macht er geltend, räumt aber auch ein, dass seither die Entschädigung zurückgegangen sei von rund 6000 Franken auf 4000 jährlich. «Der Kanton hat einfach einen Topf zur Verfügung, und wenn mehr Landwirte mitmachen, erhält jeder entsprechend weniger.»
Er unterzeichne aber wieder den neuen Seevertrag, der ab 1. Januar 2021 gelten wird. «Ich mache es nicht wegen des Geldes.»
Verhärtete Fronten
Wegen der hohen Tierbestände fällt viel Gülle an, die Joe Ineichen in zwei grossen Silos über den Winter lagert. Die Überschüsse liefert er an zwei Landwirte in der Umgebung, deren Nährstoffbilanz es ermögliche, zusätzlichen Dünger einzusetzen. «Ich muss ihnen etwas zahlen, dass sie die Gülle abnehmen.» Aber immerhin müsse er nicht mehr so weit fahren wie früher. Als er die landwirtschaftliche Meisterprüfung 1988 abgeschlossen hatte, existierten in der Schweiz nach seinen Angaben noch weit über 50’000 Milchviehbetriebe. Heute sind es weniger als 20’000. Der Markt mit den tiefen Milchpreisen hat dazu geführt, dass viele die Milchviehhaltung aufgegeben hätten, resümiert Ineichen. Er selber werde aber seinen Hof mit seinen 58 Jahren nicht mehr umstellen. «Ich habe mich damals dafür entschieden und übe diese Betriebsform auch heute noch mit Freude aus, trotz der schwierigen Umstände.»
Auch die Vorgaben bezüglich Phosphor und Ammoniak hätten dazu geführt, dass die Landwirtschaft mehr gefordert sei als früher. Und Joe Ineichen stellt zunehmend verhärtete Fronten zwischen Natur- und Umweltschützern und einem Teil der Landwirte fest, die sich in der Art der Produktion nicht dreinreden lassen wollten. «Es gibt junge Bauern, die nicht mehr insBerufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain gehen wollen, weil sie sagen, die Schule sei zu grün», erzählt er.
Dass in Luzern gegenwärtig eine Aufsichtsbeschwerde bei der Regierung von der Naturschutzseite und eine Beschwerde beim Kantonsgericht gegen die neue Phosphorverordnung aus Landwirtschaftskreisen hängig seien, sei ein Ausdruck der verhärteten Fronten. Früher sei dies noch anders gewesen, meint Ineichen und betont, dass es nur gemeinsam und mit gegenseitigem Respekt auf dem weiteren Weg zu einem gesunden Sempachersee funktioniere.
See ist ein «Fiebermesser»
Doch mit einem tieferen Phosphor-Zielwert, wie ihn der Kanton festgelegt hat (wir berichteten), sei es noch nicht getan. Joe Ineichen hegt auch etwas den Verdacht, dass es sich hierbei um einen politischen Entscheid gehandelt habe, um noch mehr Druck aufzusetzen. «Ich verstehe beide Seiten. Die Bevölkerung geht mit den Naturschützern einig, dass man im Sempachersee eine natürliche Verlaichung der Felchen erreichen will», sagt der Sempacher Landwirt. «Doch dass die Landwirte im Zuströmbereich des Sempacher-, Baldegger- und Hallwilersees mit strengeren Vorgaben konfrontiert werden als andere Landwirte im Kanton, kommt einer Wettbewerbsverzerrung gleich.»
Den Sempachersee bezeichnet Joe Ineichen als «Fiebermesser, welcher der Region jeweils sofort anzeigt, wenn etwas nicht stimmt». Er spricht dabei die Tatsache an, dass seit 2012 tendenziell wieder mehr Phosphor in den See gelangt ist und das fragile Ökosystem rasch mit einem verstärkten Algenwachstum reagiert habe. Deshalb sei es für ihn selbstverständlich, dass er auf eine schonende Ausbringung der Gülle besonders achte. «Ich schaue aufs Wetter und dünge die Wiesen im Sommer nur abends», gibt er ein Beispiel. Damit beugt er vor, dass ein Teil des Phosphors durch Niederschläge wieder weggeschwemmt wird und weniger Ammoniak in die Luft entweiche, was auch durch den Einsatz eines Schleppschlauchverteilers unterstützt werde.
«Wir haben viel erreicht»
Darüber hinaus sieht er aber auch weiteres Verbesserungspotenzial durch technische Lösungen. So werde heute etwa bei der Schweinemast Futter eingesetzt, das gerade so knapp den Bedarf an Nährstoffen decke. Unter Beigabe eines Zusatzes werde zudem dafür gesorgt, dass die Exkremente der Tiere weniger Phosphor enthielten. «Solche Anstrengungen der Landwirtschaft muss man auch sehen.» Ohnehin ist Joe Ineichen der Meinung, dass Kanton, Gemeinden und die Landwirtschaft schon viel erreicht hätten, um den Sempachersee zu sanieren. Doch es liege in der Eigenverantwortung eines jeden Landwirts, so viel wie möglich für weitere Fortschritte zu tun.