Das Verkehrsaufkommen und die Parkplatzsituation im Städtli Sempach geben immer wieder Anlass zu Diskussionen. Während die einen zwingend genügend oder noch mehr Parkplätze für das Gewerbe und keine Verkehrseinschränkungen fordern, sehen andere durch die vielen Autos einen angenehmen und sicheren Aufenthalt im Städtli in Gefahr.
Zu letzteren zählt Sebastian Portmann. Er sass drei Jahre in der Ortsplanungskommission, in der er nach eigenen Angaben mehrfach die Verkehrsproblematik zur Sprache gebracht und auch Lösungsansätze für eine andere Verkehrsführung präsentiert hat. «Es ist dann jeweils gesagt worden, dass die Anliegen in den Stadtrat eingebracht würden, aber passiert ist nie etwas», erzählt er gegenüber unserer Zeitung mit einer gewissen Enttäuschung. Von vielen, vor allem auch jüngeren Leuten, wisse er, dass man sich mehr Lebensqualität dank weniger Autos im Städtli wünsche.
Kürzlich war er in den Ferien in Rapallo, einer Stadt in Ligurien in der Nähe von Genua. Sebastian Portmann schildert, dass dort die Strasse im Bereich der Altstadt abends nach Ladenschluss gesperrt worden sei und sich Einheimische und Touristen in Scharen auf den Plätzen an die Tische gesetzt hätten. «Das war ein wunderbares Erlebnis, mitten auf der Strasse zu sitzen und mit vielen anderen Leuten den Abend zu geniessen», schildert Portmann, «aber wohl illusorisch für Sempach».
Zu viel Durchgangsverkehr
Für ihn wäre eine valable Lösung, im Unterstädtli in der Mitte ein Hindernis in die Fahrbahn zu stellen, welche die Durchfahrt verunmöglichen würde. «Studien belegen nämlich, dass rund 75 Prozent der Motorfahrzeuge dem reinen Durchgangsverkehr zuzurechnen ist.» Gerade auch an Wochenenden herrsche verkehrsmässig sehr viel Betrieb. Mit seiner Idee könnten die Kunden von Geschäften und Besucher von Restaurants trotzdem jederzeit zu ihren Zielen gelangen und die Attraktivität, einfach via die beiden Stadttore das Städtli zu passieren, wäre genommen. «Dafür gibt es die Umfahrungsstrasse mit den neuen Kreiseln.» Er sei der Meinung, dass ein geändertes Verkehrsregime endlich mal zeitlich befristet getestet werden sollte. Und der 25-Jährige schiebt nach, in einem solchen Fall unbedingt auch zu erheben, ob es zu grösseren Umsatzeinbussen für das Gewerbe komme. «Das glaube ich nämlich nicht.»
Begegnungszone mit Haken
Das Städtli ist eine Begegnungszone, in der Tempo 20 und somit das Vortrittsrecht für Fussgänger gilt. Das Überqueren der Strasse im Unterstdätli ist aber bisweilen riskant. Die parkierten Autos, Aussenbereiche von Restaurants und Pflanzentöpfe vermögen zwar den Verkehr zu beruhigen, nehmen aber auch die Sicht. Zudem gibt es auch Stimmen, die schildern, dass etliche Automobilisten zu schnell unterwegs seien. Camille Peter ist Scharleiterin des Blaurings Sempach. Sie hat schon mehrfach unangenehme Situationen im Städtli erlebt, wenn sie mit Kindern unterwegs war. «Die Platzverhältnisse sind sehr eng und unübersichtlich», umschreibt sie. Man müsse, gerade wenn man mit den Jüngsten aus den ersten und zweiten Primarklassen unterwegs sei, sehr aufmerksam sein. «Ansonsten besteht einfach die Gefahr, dass ein Kind aus einer verdeckten Ecke auf die Strasse vor ein Auto läuft.»
Limitiertes Vortrittsrecht
Die Mutter eines Kindes, das in der Seevogtey in den Kindergarten geht, beschreibt, dass sich sowohl Kinder als auch Automobilisten manchmal unsicher fühlten. «Die Kinder warten und getrauen sich nicht, über die Strasse zu gehen, wenn ein Auto naht.» Gerade die kleinen Kinder sehe man kaum hinter den Hindernissen. Gerade jene Autofahrer, die vom Luzernertor ins Städtli fahren würden, seien tendenziell zu schnell unterwegs. Sie wisse von mehreren Eltern aus ihrem Umfeld, die immer wieder ähnliche Erfahrungen machten, gerade, wenn man von der Müligass oder Kronengasse her kommend die Stadtstrasse überqueren wolle.
Auch Camille Peter hat den Eindruck, dass teilweise zu schnell gefahren und den Fussgängern der Vortritt nicht gewährt werde. Für sie sind Vorschläge wie eine verhinderte Durchfahrt durch ein Hindernis in der Fahrbahn oder auch ein temporäres Fahrverbot prüfenswert. Sie sehe aber auch die Bedürfnisse des Gewerbes und die Wichtigkeit, dass man für grössere Einkäufe vor den Läden parkieren können und zur Entsorgungsstelle in der Oberstadt gelangen müsse. «Ein gänzlich autofreies Städtli ist keine Option», ist sie der Meinung.
Umfahrungsstrasse wäre da
Marco Sieber, Programmverantwortlicher des Kulturkellers im Schtei, schlägt in die selber Kerbe. «Die Detaillisten müssen verkehrstechnisch gut erreichbar bleiben. Ich persönlich erachte aber einen kurzen Fussmarsch für vertretbar.» Er ist der Meinung, dass ein zeitlich befristetes Fahrverbot das Städtli aufwerten könnte. «Doch die Gastronomiebetriebe müssen mitmachen und die Aussenplätze allenfalls noch attraktiver nutzen können.» Zudem dürfe man die Bäckerei Zwyssig, welche am Sonntag offen habe, keinesfalls vergessen. «Dazu braucht es kreative Ansätze.» Ihm schweben kleinere Events wie Strassenkonzerte, Spielmöglichkeiten oder anderweitige gesellschaftliche Attraktionen vor. «Das Städtli darf aber auch nicht zur Kilbimeile verkommen, da bräuchte es eine Ausgewogenheit.»
Auch Sieber stört sich am Durchgangsverkehr, von dem weder Gewerbe und Gastronomie profitieren. «Wenn man sich länger im Städtli aufhält, kann man das gut beobachten.» Er pocht entsprechend darauf, dass man die Umfahrungsstrasse benützt, wenn man nicht ins Städtli muss.
«Kampf der Interessen»
Orest Jaworsky, der Betreiber des Restaurant Bierhaus 1785, glaubt nicht, dass die neuen Kreisel auf der Umfahrungsstrasse die Verkehrssituation im Städtli signifikant ändern werden. «Mein Lösungsvorschlag wäre eine Einbahnregelung.» Die Erreichbarkeit der Läden wäre gegeben und die Strassenbreite verringert. «Das gäbe viel Platz für breitere Gehwege, Sitzbänke, Laternen und natürlich auch mehr Plätze für die Gäste der Gartenterrassen.» Seit dem Städtliumbau vor mehr als 10 Jahren diskutiere man die Situation kontrovers, gegangen sei aber nie etwas. «Es ist längst überfällig, etwas Neues auszuprobieren», sagt er. Wenn man dies nicht tue, könne man den Status Quo auch nicht einfach als das einzig Wahre für die Zukunft des Städtlis bezeichnen.
«Begrünung, Bepflanzung, Sitzbänke, Veloständer, Laternen.» Diese Beispiele nennt Orest Jaworsky, um das Städtli attraktiver zu machen. Die architektonische Enge und Kleinteiligkeit mache das Städtli heimelig und fördere das gesellige Zusammensein, sei aber gleichzeitig auch ein Manko. «Die öffentlichen Flächen sind beschränkt und entsprechend einem stetigen Kampf der Interessen ausgesetzt.» Gerade in der aktuellen schwierigen Situation wegen Corona hätten der Autoverkehr und Parkflächen absoluten Vorrang gegenüber den Bedürfnissen der Fussgänger. «Hier muss es früher oder später zu einem gleichberechtigten Ausgleich kommen», ist Jaworsky der Meinung.
Möglichkeiten prüfen
Heidi Künzli, zusammen mit ihrem Mann Hanspeter Gastgeberin im Gasthof Adler, glaubt auch, dass es im Städtli «ganz ohne Verkehr nicht geht. Die Gäste fahren ins Städtli, schauen und was sie sehen, gefällt ihnen. Um einfach darin zu verweilen, ist es auch kein Problem, wenn sie vor dem Städtli parkieren müssen.» Man sollte verschiedene Möglichkeiten prüfen, um die Verkehrssituation zu beruhigen, wie eine Einbahnvariante oder Massnahmen, die den Verkehr in der Mitte des Städtlis brechen, findet auch sie. «Es ist ein Versuch wert.»
Neuer Stapi hats im Fokus
Camille Peter vom Blauring Sempach glaubt, dass mit dem Amtsantritt des neuen Stadtpräsidenten sich die Stimmen der Jungen noch etwas mehr Gehör verschaffen können. «Er hat einen Jugendbeirat ins Leben gerufen.» Jürg Aebi bestätigt, dass sich der Jugendbeirat regelmässig treffen soll. «Der Verkehr wird sicher auch ein Thema sein», verspricht er. Für ihn ist klar, dass die heutige Situation nicht befriedigend ist. Ihm schwebt bereits eine mögliche Lösung vor, die aber noch nicht spruchreif sei. «Zuerst will ich mit allen Betroffenen das Gespräch suchen und die Situation seriös analysieren.» Es sei aber denkbar, dass im kommenden Sommer eine Pilotphase für ein anderes Verkehrsregime im Städtli ins Auge gefasst werde. «Ich will lieber mal etwas ausprobieren, als nie etwas machen.»