Die Oper Zürich hat am 20. September ihre Spielzeit mit«Boris Godunow» von Modest Mussorgski – einer russischen Oper über Machtintrigen und Gewaltherrschaft – eröffnet. Der in Sempach wohnhafte Berufsmusiker Albert Benz – seines Zeichens Präsident der Tuchlaubenkonzerte – sitzt normalerweise mit seinen Kollegen der Philharmonia Zürich im Orchestergraben. Nicht aber jetzt, in Zeiten von Corona. «Wir könnten die Abstände unmöglich einhalten», sagt Albert Benz. «Doch wir wollen Spielen, die Oper Zürich will seine Produktionen durchziehen», hält er entschieden fest. Kultur muss weiterleben, auch für das Publikum, das es sich trotz Maskenpflicht im Haus und diffusen Unsicherheiten wegen Covid 19 nicht nehmen lässt, Opernvorstellungen und andere Konzerte im Opernhaus Zürich zu geniessen.
Orchester sitzt im Proberaum
Doch eine Oper ohne Orchester im Graben: Wie geht das? Das Haus hat sich das Zusatzmaterial – Lautsprecher, Mikrophone – für eine bereits vorhandene komplexe Tontechnikanlage 250’000 Franken kosten lassen. Sie ermöglicht es dem Orchester, in einem Proberaum mit genügend Abstand, zu den Instrumenten zu greifen. Das Orchester sieht dabei den Dirigenten und die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne im Opernhaus ausschliesslich über Monitore. Dabei wird genügend Platz zwischen den einzelnen Musikern eingeräumt. Unter Einsatz von vielen Mikrophonen werden praktisch alle Interpreten der Philharmonia Zürich und auch des Opernhauschores einzeln abgenommen. Ihre Musik wird live mit Glasfaserleitungen zum einen Kilometer entfernten Tonmeister an der Oper und seinem Mischpult übertragen. Dieser sorgt mit seiner Abmischung dafür, dass der Sound optimal aus den verschiedenen Lautsprechern im Saal zu den Ohren des Publikums dringt.
Präzise auf Dirigenten achten
Von der Akustik her bringe man ein ausserordentlich gutes Resultat zustande, auch wenn «das Hörerlebnis natürlich nicht ganz an ein direkt im Graben aufspielendes Orchester heranreicht». Und die Musiker seien mehr als sonst gefordert, präzise auf die Einsätze des Dirigentenstocks zu achten. Spielraum gibt es gar keinen, will der Sound aufgrund der dezentralen Position des Orchesters gelingen. «Bei normalem Opernbetrieb spielt das Orchester auch gewisse Passagen relativ autonom», erläutert Albert Benz. «Jetzt spürt man die Qualitäten eines Dirigenten umso mehr.»
«Maskiertes» Publikum
Anders ist die Situation bei Orchesterkonzerten. Dann können sich die Interpreten auf der genügend geräumigen Bühne aufhalten. Doch es gilt: Die Maske wird beim Betreten der Oper aufgesetzt und erst am Notenpult wieder abgelegt. «Und wir blicken hinaus in den Saal, in dem auch alle eine Maske tragen», erzählt Albert Benz. Er fügt an, dass diese Situation für alle Musiker herausfordernd und sehr speziell sei. «Doch der gemeinsame Spirit ist umso mehr zu spüren. Es ist schon toll zu spüren, wie alle das Geforderte gemeinsam meistern wollen.»
Resonanz weiterhin gut
Pro Aufführung könnten 1100 Plätze in der Oper Zürich belegt werden. Nun sind es rund 900. «Die Oper lässt mit seinem gesamten Schutzkonzept eine gebührende Vorsicht walten», ist Albert Benz überzeugt. Er weiss aber auch: «Die Aufführungen müssen stattfinden. Man ist dies nur schon gegenüber der öffentlichen Hand schuldig, die das Haus namhaft subventioniert.» Und der Zuspruch des Publikums sei ungebrochen, trotz Corona. Oder vielleicht auch gerade deswegen. «Die Menschen schätzen, dass solche Konzerterlebnisse wieder möglich sind.»
Distanz: Eine Chance für mehr Selbstsicherheit
Der Kirchenchor Sempach unter der Leitung von Donat Burgener hat im Juni wieder mit den Proben begonnen. Doch auch während des Lockdowns waren viele Sängerinnen und Sänger nicht untätig. «Ich hatte ihnen im April und Mai Audios mit den Klavierbegleitungen zu den Liedern des weltlichen Konzerts vom Herbst 2021 geschickt», sagt Donat Burgener.
Die Ostermesse hatte man kurz vor der Aufführung wegen des Lockdowns noch fallen lassen müssen. Als nächster Auftritt des Kirchenchors folgt französische geistliche Musik am Gottesdienst an Allerheiligen. Dabei werden die Mitglieder den gesamten Raum vorne im Chor der Kirche benötigen, um die Abstände einzuhalten. «Das ist eine grosse Herausforderung, weil man viel mehr auf sich alleine gestellt ist», unterstreicht Donat Burgener.
Am Stephanstag steht dann der Höhepunkt des Chorjahres mit der «Sunrise Mass», einer Messe für achtstimmigen Chor und Streichorchester, an. Sie stammt aus der Feder des jungen norwegischen Komponisten Ola Gjeilo. Auch an diesem Konzert wird der Kirchenchor mit viel mehr Abstand zwischen den Mitgliedern singen. An den ersten Proben hätten einige schon «gewackelt», erzählt Donat Burgener. Gewisse Unsicherheiten seien immer noch da. «Doch ich habe gesagt, dass man diese spezielle Situation als Chance sehen muss. Diese Art des Singens schult das Gehör und fördert die Selbstsicherheit.»