Die Kirche St. Martin auf Kirchbühl rückt erneut in den Fokus wissenschaftlicher Forschung. Im letzten Sommer erstellte der Neuenkircher ETH-Doktorand Mathias Häcki ein hochdetailliertes 3D-Modell des historischen Bauwerks. Gegenwärtig sind die Wandmalereien im Innern der Kirche Gegenstand von Untersuchungen. Die 26-jährige Masterstudentin Luzia Amrein aus Stans studiert an der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (Supsi) im Tessin Restaurierung und Konservierung. Im Rahmen ihrer Masterarbeit analysiert sie die Wandmalereien in St. Martin.
Es sind keine Fresken
«Mit meiner Untersuchung lege ich den Grundstein für eine mögliche Restaurierung der Wandmalereien. Ich halte den Zustand der Malereien fest, untersuche die Maltechnik und dokumentiere dies in Form von Kartierungen», erklärt Luzia Amrein. Entgegen der gängigen Ansicht sind die Wandmalereien in St. Martin wohl nämlich keine Fresken. «Ein grosser Teil meiner Analyse dreht sich um diese Frage. Es handelt sich sehr wahrscheinlich nicht um freskale Maltechniken, sondern um Mischtechniken», so Amrein. Sie arbeitet sich in ihrer Analyse von Wand zu Wand. «Schon nach der Hälfte der Gesamtfläche stiess ich auf Hinweise, die auf verschiedene Maltechniken hindeuten.» Die Recherche vor Ort beinhaltet eine genaue Untersuchung, wobei Luzia Amrein mit einem Gerüst die Malereien aus nächster Nähe in Augenschein nimmt. «Bereits mit Auf- und Streiflicht kann vieles in Bezug auf Zustand und Maltechnik festgestellt werden. In einem nächsten Schritt werde ich nicht invasive technische Hilfsmittel verwenden, um an detailliertere Daten zu gelangen», erklärt Amrein ihr Vorgehen.
Retusche oder Original
«Bildgebenden Verfahren, beispielsweise durch die Beleuchtung mit UV-Licht, können Aufschluss geben, welche Materialien, Pigmente oder Bindemittel verwendet wurden. Es ist eine hilfreiche Methode, um zu eruieren, was zum Original und was zu einer späteren Retusche gehört.» Die Wandmalereien in St. Martin nämlich seien mehrmals retuschiert beziehungsweise übermalt worden. Diese Unterscheidung, insbesondere auch in Bezug auf die verschiedenen Farbpigmente, sei relevant für die Wahl der Materialien bei der Restaurierung. Bereits letzten Sommer hat Luzia Amrein Klimamessgeräte inner- und ausserhalb der Kirche installiert. «Es ist wichtig, die klimatischen Bedingungen festzuhalten, denn diese können Auswirkungen auf das Material haben, das ich vorfinde.»
Vorschlag an Denkmalpflege
Seit dem 17. Februar sind ihre Untersuchungen in St. Martin im Gange. Abschliessen wird sie diese voraussichtlich bis Ende Mai. «Danach werde ich das ganze Material sichten und die Evaluierung abschliessen», so Amrein. In einem nächsten Schritt wird sie das Restaurierungskonzept ausarbeiten, worin sie einen Vorschlag macht, welche Massnahmen zu priorisieren sind. «Die Erkenntnisse und das Konzept werde ich nach Abschluss meiner Masterarbeit im Sommer der Denkmalpflege Luzern und der Stiftung Pro Kirchbühl zukommen lassen. Somit liegt die Entscheidung über das weitere Vorgehen und mögliche Restaurierungsmassnahmen anschliessend bei ihnen», erklärt Luzia Amrein. Sie betont, dass sie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen involvierten Parteien sehr schätze. «Das grosse Interesse der Stiftung Pro Kirchbühl ist nicht selbstverständlich. Darüber hinaus bin ich der Denkmalpflege Luzern dankbar, die mich mit ihrem Vorschlag erst auf dieses spannende Objekt als Forschungsgegenstand aufmerksam gemacht hat.»
Historischer Abriss:
Die frühesten Wandmalereien können auf die Zeit um 1300 zurückdatiert werden. Sie umzogen das ganze Kirchenschiff und sind heute grösstenteils nur noch in braunroten Umrissen sichtbar. Diverse prominente Darstellungen sind an das Vanitas-Motiv angelehnt und sollten die Menschen an die eigene Sterblichkeit erinnern.
Im 15. Jahrhundert wurden die Malereien bereits mehrmals übermalt. Ein Zyklus von Rundbildern hatte wohl ehemals die Schöpfung zum Inhalt. Heute erhalten sind nur noch spärliche und daher schwer datierbare Teile dieser Ausmalung.
Die Malereien im Chor und am Chorbogen entstanden um 1583 und bilden wohl den am besten erhaltenen Teil der Wandmalereien in der Kirche. Diese sind nicht Teil von Luzia Amreins Untersuchungen.