Das Mütter- und Kinderhaus Seevogtey wird seit 1997 vom Verein Seevogtey betrieben. Darin finden Mütter, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, eine Bleibe und Unterstützung, um sich im Alltag zurechtzufinden. Gleichzeitig ist der Nachwuchs auch im Kinderhaus in guten Händen. Die «Seevogtey» ermöglicht eine sozialverträgliche, familienergänzende Kinderbetreuung, auch durch die Koordination von Tagesfamilien im Raum oberer Sempachersee. Seit vier Jahren obliegt zudem die Ferienbetreuung von Schulkindern im Rahmen eines Pilotprojekts der «Seevogtey».
Permanentes Fundraising
Der Verein Seevogtey ist gefordert, damit all diese Angebote finanziert werden können. Auf rund 950'000 Franken belaufen sich die Aufwände der «Seevogtey» jährlich. «70 Prozent davon werden eigenfinanziert», führt der Co-Präsident der «Seevogtey», Alois Widmer, aus. Die Einnahmen stammen einerseits von Eltern- und Betreuungsbeiträgen sowie aus den Mieten für die Wohnungen im Mütterhaus. Andererseits leisten aber auch das Seraphische Liebeswerk Solothurn, das vor 1997 das Kinder- und Mütterhaus geführt hatte, die katholische Landeskirche Luzern, Kirchgemeinden und die Stadt Sempach wichtige Beiträge. Nebst der Standortgemeinde Sempach kommt auch von den Gemeinden Eich, Hildisrieden, Neuenkirch und Nottwil mittels Strukturbeitrag ein finanzieller Zustupf. Dennoch geht es für die «Seevogtey» nicht ohne ein permanent bewirtschaftetes Fundraising, wozu als Bausteine Spenden unterschiedlicher Art und die Weihnachtsaktion dienen. Zuwendungen im Rahmen von Nachlassfällen sind eher selten. Laut Alois Widmer ist aber genauso entscheidend, bei Stiftungen jährlich anzuklopfen.
Stiftung wird gegründet
Im Jahresbericht 2024 des Vereins Seevogtey springt unter den Erträgen ein Zuschuss von rund 4 Millionen Franken ins Auge. Drei Personen haben den Verein Seevogtey in ihren letztwilligen Verfügungen als Legatnehmer beziehungsweise als Erbe eingesetzt, weshalb der Verein Seevogtey dafür eigens eine Stiftung schaffen will. Sie wird den einzigen Zweck haben, die Angebote des Vereins bei Bedarf finanziell zu unterstützen. Angedacht ist ein dreiköpfiger Stiftungsrat mit Barbara Haas-Helfenstein als Präsidentin und den beiden Mitgliedern Annelies Fischer Wyss und Alois Widmer, alle wohnhaft in Sempach. Sie werden jeweils die Gesuche seitens des Vereins prüfen.
Zuschuss ermöglicht mehr
Es sei denkbar, dass man in Zukunft ein bedürfnisgerechtes neues Projekt in Angriff nehme, das sonst nicht finanzierbar wäre, gibt Nadia Wüest, die seit 1. Mai des letzten Jahres Co-Präsidentin der «Seevogtey» ist, ein Beispiel, wie die Gelder verwendet werden könnten. Betriebsleiterin Julia Rossmann fügt an, dass auch Einrichtungen finanziert werden könnten, etwa wenn die Stadt die geplante Sanierung des Gebäudes in Angriff nimmt. Sie verdeutlicht aber auch: «Der Verein wird weiterhin nach Geldern Ausschau halten müssen. Die Stiftung bewilligt nicht einfach jährlich fix Geld, sondern gibt individuelle Beiträge auf Gesuch des Vereins frei.»
Defizite gehören dazu
Man dürfe zudem nicht vergessen, dass das Mütterhaus keine Zuschüsse vom Bund und vom Kanton erhalte. «Die Wohngemeinden der Frauen allein müssen die Betreuung der Mütter und Kinder finanzieren.» Entsprechend tief setze die «Seevogtey» die Tarife an. «Und deshalb», ergänzt Nadia Wüest, «kennen die Gemeinden auch Betreuungsgutscheine, um finanzschwache Familien zu unterstützen.»
Nebst der Koordination von gut begleiteten Tagesfamilien im Raum oberer Sempachersee legt die «Seevogtey» laut Julia Rossmann gleichzeitig grossen Wert auf qualifiziertes Personal in den eigenen vier Wänden. Auch deshalb könne ein Betrieb dieser Grösse nicht selbsttragend oder gar gewinnbringend geführt werden. «Wir sind weiterhin auf die Solidarität der Bevölkerung angewiesen, wie sie jeweils in der Weihnachtsaktion zum Ausdruck kommt», sagt Julia Rossmann. «Die rund 4 Millionen Franken sind Geschenk und Verantwortung zugleich. Der Betrag eröffnet uns grösseren Spielraum, um die Vision für eine ‘Seevogtey’ der Zukunft weiterzuentwickeln.»
Dieses Mal war Präsenz gefragt
Der Verein Seevogtey lud letzten Montag, 26. Mai, ihre Mitglieder zur Generalversammlung im Präsenzverfahren ein. Dies war vor allem einem speziellen Traktandum geschuldet: Der Auslagerung von maximal 4,1 Millionen Franken an die Stiftung Seevogtey. Seit 2024 ist die Generalversammlung auch im Korrespondenzverfahren zulässig, bei dem Entscheide auf schriftlichem Weg getroffen werden.
Zuerst begrüsste Co-Präsident Alois Widmer die langjährigen und treuen Vereinsmitglieder, die Mitarbeitenden sowie einige Vertreterinnen und Vertreter der Gemeinden rund um den oberen Sempachersee. Speditiv führte er durch die weiteren Traktanden.
Ferienbetreuung kommt an
Die Berichte aus den verschiedenen Tätigkeitsbereichen der «Seevogtey» sind erfreulich und bestätigen den Vorstand und die Mitarbeitenden in ihrer Arbeit. Das Mütter- wie das Kinderhaus bieten Schutz und Entwicklungsmöglichkeiten in einem professionell betreuten Umfeld. Das Angebot der Ferienbetreuung nimmt langsam, aber sicher Fahrt auf. Die Rückmeldungen der Kinder sowie der Eltern sind sehr positiv. Einzig die rückläufigen Betreuungszahlen der Tageseltern geben zu denken. Gerade diese individuelle Betreuungsform bietet den Familien grosse Flexibilität.
Die Versammlung stimmte auch der Rechnung 2024 und dem Budget 2025 mit dem ausserordentlichen hohen Ertrag aus drei Erbschaften sowie der erwähnten Auslagerung von maximal 4,1 Millionen Franken an die Stiftung Seevogtey zu. PD