Mit brausendem, pfeifendem Wind und dem Gurgeln und Blubbern von Wasser begann «Sturmwind», das Live-Filmprojekt, das durch zwei VJs mit drei Projektoren auf die Leinwand gebracht wurde und eine audiovisuelle Reise durch die Zentralschweiz versprach. Man erahnte zwar, was kommen könnte, wenn die Naturgewalten entfesselt werden. Und doch: Vorerst wurde man eingelullt durch fast meditative Stimmungen, untermalt mit vornehmlich sanften und reduzierten zeitgenössischen Klängen von Nora Vetter (Viola), Léa Legros Pontal (Viola), Nicola Romanò (Violoncello), Charlotte Lorenz (Violoncello) und Simon Iten (Kontrabass).
Schützen, irgendwie
Schleichend und nahtlos ging die Szenerie aus Bildern, Geräuschen und einer Leinwand mit zwei verschiebbaren Elementen über in bedrohlich wirkende Eindrücke. Regen prasselte, der Sturmwind rüttelte und peitschte, wogegen sich menschliche Gestalten, in dünne Plastikpellerinen gehüllt, sich zu wappnen versuchten. Dann schien es plötzlich zu schneien. Ein glitzerndes Flockentreiben entpuppte sich aber als Aschenregen und Funkenflug eines wütenden Waldbrandes. Spätestens jetzt konnte im Publikum auch der Gedanke an die Klimaveränderung und damit verbundener Witterungsextreme aufkeimen.
Beklemmende Musik
Besonders war auch die durch den Luzerner Komponisten Peter Siegwart komponierte und eindringlich vorgetragene Live-Musik. Sie klang meist schleppend, wehklagend und beängstigend, mit Dissonanzen garniert, denen Sopranistin Viviane Hasler zusätzlich Nachdruck verlieh. Das Gehörte verstärkte die visuellen Eindrücke des Buttisholzer Künstlers und Filmemachers Robert Müller, der mit der Neuenkircher Videodesigerin Ruth Stofer und dem Luzerner Patrick Portmann für die Bilder von Naturphänomenen verantwortlich zeichnete.
Gefühl verlorener Kontrolle
Auch wenn Berechnungen Basis für Wetterprognosen bilden und Klimamodelle Szenarien für die Zukunft umreissen, ist doch Natur letztlich Chaos, schien auch «Sturmwind» untermauern zu wollen. Ausser Rand und Band waren die Eindrücke von der Bühne, die die Augen des Publikums forderten und um ihre Ohren geschlagen wurden. Man fühlte sich irgendwie haltlos, seiner Kontrolle beraubt und dem Tun der Natur ohnmächtig ausgesetzt. Da schätzte man eine Verschnaufpause umso mehr, wenn der Himmel voller Sterne stand oder man dem langsam zunehmenden Mond zuschauen konnte.
Tiefgreifende Kunst
Auch an scheinbar unverrückbar Festem wie Fels und Eis hätte man sich als Betrachterin und Betrachter festkrallen können. Doch auch hier knarzte, knackte und polterte es, begannen rauschende Bächlein den Gletscher zu zerfressen und Steine herabzukullern. Nichts schien mehr sicher und gewiss. Ausser die Offenheit, die man mitbringen musste, um sich auf diese aussergewöhnliche Erzählform einzulassen, zu der auch literarische Fragmente von Severin Perrig gehörten. Der Lohn war ein Erlebnis von hoher Güte, die einen anders aus dem Stadttheater entliess, als man eingetreten war. So geht Kunst.