Skip to main content Skip to page footer

Suchformular

Anmeldung wird geprüft

Sempach

Literaturpreisträger gibt Einblick in Sempacher Projekt

Michael Hausheer 19. Juni 2025

«Renata – eine Verschwörungstheorie» heisst das Stück, welches die Theatergesellschaft Sempach im Herbst in Form eines Stationentheaters zur Aufführung bringen wird. Exklusiv als Auftragsarbeit verfasst, stammt das Drama aus der Feder von Schweizer Literaturpreisträger Béla Rothenbühler.

«Renata – eine Verschwörungstheorie» heisst das Stück, welches die Theatergesellschaft Sempach im Herbst in Form eines Stationentheaters zur Aufführung bringen wird. Exklusiv als Auftragsarbeit verfasst, stammt das Drama aus der Feder von Schweizer Literaturpreisträger Béla Rothenbühler.

Der Luzerner Autor Béla Rothenbühler hat in den letzten Jahren zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit gewonnen. So wurde er für sein Werk «Polifon Pervers» unlängst mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet. Derzeit steht jedoch – zumindest in Sempach – ein anderer seiner Texte im Fokus. Rothenbühler hat von der Theatergesellschaft Sempach den Auftrag angenommen, ein Stück für sie zu schreiben. Bei «Renata – eine Verschwörungstheorie» handelt es sich um ein speziell auf Sempach zugeschnittenes Werk mit viel Witz, etwas Satire und einer Menge Lokalkolorit. Die Idee zum Inhalt und zur Form eines Stationentheaters, bei welchem sich die Handlung an verschiedenen Schauplätzen im Städtli Sempach abspielt, stammt von Marco Sieber. Er ist es auch, der bei diesem Projekt die Regie innehat. «Es macht mega Spass. Die Arbeit mit Marco ist sehr angenehm. Wir haben schon verschiedentlich zusammengearbeitet. Normalerweise war ich Dramaturge und er Schauspieler. Mit ihm als Regisseur arbeite ich zum ersten Mal und er macht das grossartig», hält Béla Rothenbühler fest.

Sempacher Insider inklusive

Inhaltlich bedient sich das Stück am Stoff der Sage «Renata von Wartensee». Auf Basis dieser im Mittelalter angesiedelten Erzählung wird die Idee entwickelt, die romantische Liebe sei als Konzept in Sempach entstanden und somit schlussendlich ein Sempacher Exportprodukt. Dabei spart Rothenbühler nicht an sempachspezifischen Insidern. «Ich habe mit Marco Sieber im Vorfeld viel über diesen Aspekt gesprochen. Er kennt Sempach, seine Geschichte und die Mentalität wohl so gut, wie man dass nur kennen kann. In ausführlichen Gesprächen führte er mich in diese ein und sagte mir, welche Insider und ‘Running Gags’ ziehen könnten», gibt Béla Rothenbühler Einblick in den Schaffensprozess. Darüber hinaus kämen vom Ensemble immer wieder Inputs bezüglich Lokalwitz hinzu. «Ich bin unbedingt dafür, das aufzunehmen. Bei einem Stück wie diesem darf und muss diese Art von Lokalkolorit Platz haben.»

Normen werden hinterfragt

Erste Priorität hat für Béla Rothenbühler, dass das Publikum ein tolles Erlebnis habe. Er wolle die Möglichkeit bieten, die Welt – und durch die Form des Stationentheaters auch die Schauplätze in Sempach – ein bisschen anders wahrzunehmen, nämlich durch die «Theaterbrille». Zweitens soll es um Liebe gehen und damit grundsätzlich eine positive Aussage gemacht werden. Und dennoch enthält das Stück auch viele implizite und explizite kritische Aussagen, werden doch verschiedene etablierte Institutionen und Autoritäten – wenn auch stets mit einem Augenzwinkern – infrage gestellt. So unter anderem die Praxis der Geschichtsschreibung, gesellschaftliche Normen wie Heteronormativität oder auch der Status von Literaturgiganten wie Shakespeare und Goethe. «Ich würde nichts schreiben ohne kritischen Unterton. Damit möchte ich nicht belehren, ich kann aber meine eigenen Meinungen nicht komplett ausklammern», so Rothenbühler. Eine Kritik, welche im Stück offenbar wird, richtet sich zum Beispiel an Shakespeare, beziehungsweise die Praxis, dessen Stücke unhinterfragt unverändert aufzuführen. «Ich liebe Shakespeare-Stücke, sie sind wahnsinnig aktuell. So kreisen sie oft um grosse Themen wie Liebe, Tod, Verrat und Wahnsinn. Aber die Liebesbeziehungen werden mit dem Rollenbild des ausgehenden 16. Jahrhunderts abgebildet und zementieren dadurch dieses Bild», hält Rothenbühler fest. «Wenn man etwas freier mit Shakespeare-Stücken umgeht, kann man das Schönste aus beiden Welten kombinieren. Das unhinterfragte Wiedererzählen jedoch mag ich nicht, das birgt immer die Gefahr, in der Vergangenheit verhaftet zu bleiben.»

Literaturgeschichte in einer Nussschale

Intertextuelle Bezüge stellen ein zentrales Element in «Renata – eine Verschwörungstheorie» dar. Rothenbühler zeigt gekonnt auf, wie sich das Motiv der verbotenen Liebe zwischen Angehörigen verschiedener Schichten und verfeindeter Gruppen durch die Literatur-, Theater- und Popkultur-Geschichte zieht. So lässt sich dieses Narrativ durch die Jahrhunderte verfolgen, von Renata von Wartensee über Romeo und Julia bis hin zu moderneren Werken wie West Side Story oder Titanic. Und dennoch ist es Béla Rothenbühler wichtig, kein einschlägiges Vorwissen beim Publikum vorauszusetzen: «Man muss die einzelnen Geschichten nicht detailliert kennen. Über Romeo und Julia beispielsweise muss man nichts wissen, ausser dass es sich um eine Teenagerliebesgeschichte handelt. Gleichzeitig sind die Werke so bekannt, dass sich sehr einfach Bezüge herstellen lassen, die bei allen ankommen. Verschiedentlich werden die Geschichten auf die eine oder andere Weise auch noch im Stück erzählt.»

Realität satirisch aufgeladen

Zu seinem eigenen literarischen Schaffen erzählt Béla Rothenbühler: «Sobald eine Grundidee vorhanden ist, schreib ich einfach mal drauf los und produziere ganz viel Material.» In einem ersten Schritt gehe es darum, zu allem Ja zu sagen, in einem zweiten dann zu kürzen, zu streichen und zu sortieren. «Mir ist es lieber, die gleiche Szene dreimal in verschiedenen Variationen zu schreiben, ‘quick and dirty’, und nachher dann auszuwählen.» Dabei schätzt Béla Rothenbühler es, wenn Stücke nicht allzu realistisch erscheinen. «Ich mag schrille Figuren, fantastische Settings, übertriebene Versionen der Realität. Gerade paranoide Figuren, welche Verschwörungstheorien entwickeln – wie in diesem Stück die Guide-Figuren – sind durch ihre Absurdität witzig zum Schreiben, ebenso in der Rezeption. Gleichzeitig öffnest du am nächsten Tag die Zeitung und merkst, solch absurde Menschen gibts tatsächlich, oft sind diese dann aber einiges weniger liebenswürdig.» Trotz aller satirischer Elemente handelt es sich bei «Renata – eine Verschwörungstheorie» keinesfalls um einen politischen Text. «Ich habe sehr bewusst Politisches ausgeklammert», hält Béla Rothenbühler fest. «Theater kann ein wunderschönes, verbindendes Element haben. Das würde ich in diesem Fall mit einem allzu politischen Inhalt sabotieren», so der Autor. Für politische Aussagen werde es wieder andere Formate geben.

Textarbeit dauert an

Zu Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit hat Rothenbühler vor allem Stücke für Laienproduktionen geschrieben, dann zwei bis drei Stücke für Profiensembles. «‘Renata – eine Verschwörungstheorie’ ist jetzt meine zweite Laienproduktion in Folge. Es ist eine wunderschöne Arbeit. Ich geniesse es, wenn Texte weiterverwendet werden, die Schauspielenden sich diese aneignen und umformen.» Gerade bei Mundart- und Theatertexten sei das etwas vom Schönsten: «Wenn ich den Text fertiggeschrieben habe, ist der Prozess noch lange nicht abgeschlossen. Das Ensemble passt ihn an den eigenen Dialekt an, bringt Ideen rein und eignet sich den Text auf diese Weise an. Somit dauert die Arbeit am Text bis zu den Endproben an.» Diese dürften im Oktober anstehen. Geplant sind nämlich elf Vorstellungen zwischen dem 25. Oktober und dem 15. November.

Schon gelesen ?

141264_141501.jpeg

Sempach

Peach Weber kommt nach Sempach

PD 04. September 2025
139991_140080.jpeg

Sempach

Hauch des Mittelalters weht durchs Städtli

Geri Wyss 15. August 2025
139674_139755.jpeg

Sempach

Wenn kreatives Problemlösen Spass macht

Geri Wyss 08. August 2025
138635_138639.jpeg

Sempach

«Quarz» verlieh Volksmusik neues Gewand 

Ramon Wolf 17. Juli 2025