Im Oktober 2006 erfuhr eine Klosterschwester im Zuge eines Heilungsgottesdienstes Wundersames. Sie litt an einer feuchten Makuladegeneration – die Makula ist jener Teil des Auges, der für die Sehschärfe sorgt – und sah deshalb immer schlechter, wozu unter anderem auch verzerrte Sehbilder und Blendung durch das Tageslicht gehörten. «Die Schwester berichtete später, sie habe das Angenommen-Sein Gottes an diesem Sonntagnachmittag ganz tief erlebt», erzählt der Vizepostulator der Niklaus-Wolf-Stiftung, Stefan Tschudi. Er vertritt das Anliegen vor dem Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan, man möge Vater Wolf, wie Niklaus Wolf von Rippertschwand im Volksmund genannt wird, für sein «heiligmässiges Leben mit dem Charisma der Krankenheilung» seligsprechen. Das Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse untersucht und prüft Gesuche um Selig- oder Heiligsprechungen von Menschen, die «eine tiefe Gottesbeziehung mit grosser Ausstrahlung gelebt haben», wie Stefan Tschudi sagt.
Augenleiden über Nacht weg
Das sichtbare Wunder widerfuhr der Ordensschwester aber am nächsten Morgen: Die Verzerrungen und die Blendung waren weg, was dazu führte, dass sie die abgedunkelte Brille, welche die Augen vor einfallendem Licht schützte, ablegte, und «wieder die alte Brille aufsetzte», berichtet Stefan Tschudi weiter, dass das besondere Ereignis dadurch für alle wahrnehmbar geworden sei. «Ich habe die Schwester später persönlich getroffen und war von ihrer Ausstrahlung und ihrem Wesen beeindruckt», so Tschudi. Er deutet dies als klares Zeichen dafür, dass sie tatsächlich eine Gotteserfahrung hat machen dürfen.
Mediziner an der Reihe
Dieses angebliche Wunder wird gegenwärtig – und schon seit einiger Zeit – durch Mediziner des Dikasteriums für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse in Rom geprüft. Dessen Anerkennung wäre der letzte Schritt, damit Vater Wolf durch Papst Franziskus seliggesprochen werden könnte. «Für die Anerkennung eines Wunders braucht es drei Voraussetzungen», erläutert Vizepostulator Stefan Tschudi weiter. «Das Ereignis muss plötzlich geschehen, die Veränderung muss mindestens zehn Jahre andauern und darf nicht erklärbar sein.» Die beiden ersten Punkte seien erfüllt, führt er aus; am Tag nach dem Heilungsgottesdienst habe die Schwester plötzlich nicht mehr unter verzerrten Bildern und der Blendung gelitten. Bis heute sei das so, doch, räumt Stefan Tschudi ein, die Krankheit an sich sei nach wie vor da. «Heute hat die Schwester eine trockene Makuladegeneration, die auf eine feuchte Form folgt, und sieht auch dementsprechend nicht mehr gut. «Nun geht es darum, ob die plötzliche Veränderung erklärbar oder eben nicht erklärbar ist.» Man darf vermuten, dass diese Tatsache bis heute die Niklaus-Wolf-Stiftung sowie die Mediziner in Rom umtreibt.
Ungebrochene Verehrung
Die Seligsprechung durch Papst Franziskus würde das Wirken von Niklaus Wolf von Rippertschwand vollumfänglich würdigen, ist Stefan Tschudi überzeugt. Und sie entspräche vor allem auch der ungebrochenen Bedeutung, die Vater Wolf bis heute für Menschen von Nah und Fern hat. So liegt in der Wallfahrtskapelle unterhalb der Pfarrkirche St. Ulrich in Neuenkirch ein dickes Buch auf, mit jährlich über 1000 Einträgen, worin die vielen Gläubigen ihre Fürbitten und Verdankungen äussern. Und eine ganze Wand voller Votivtafeln, mit welchen Vater Wolf für seine Fürsprache vor Gott gedankt wird, bekundet die Hilfen und Heilungen, die Menschen erfahren haben.
Jahrzehntealter Prozess
Der Seligsprechungsprozess begann aber bereits Mitte der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts, erzählt Stefan Tschudi weiter. «Es war eine grosse, langwierige Arbeit, die schliesslich um die Jahrtausendwende dazu führte, dass die Positio – die ausführliche Lebensbeschreibung im geschichtlichen Kontext – nach Rom gebracht werden konnte.» Zwei von drei Stufen auf dem Weg zu einer Seligsprechung sind bereits erfüllt. 2005 haben die Historiker der Kongregation ihren Haken unter die geschichtlichen Fakten zu Niklaus Wolf von Rippertschwand gesetzt. 2015 anerkannte dann Papst Franziskus, dass der Neuenkircher Bauer und Politiker, der am 1. Mai 1756 auf dem Hof Unterlindig auf die Welt gekommen war, dank seiner heroischen Tugenden verehrungswürdig sei. Damit stand auch der Vatikan hinter dem Wallfahrtsort. Im Verlauf seines Lebens war Niklaus Wolf mehr und mehr zum Heiler durch sein Gebet und dadurch zum grossen Helfer des Volks im ganzen Kanton Luzern und in den angrenzenden Gebieten geworden.
Es kann dauern
Dass Selig- beziehungsweise Heiligsprechungsprozesse sehr lange dauern können, belegt unter anderem das Verfahren bei Niklaus von Flüe. Bruder Klaus galt schon zu Lebzeiten im 15. Jahrhundert als «lebender Heiliger». Es war dann aber schliesslich am Fest Christi Himmelfahrt, am 15. Mai 1947, als Papst Pius XII. im Petersdom Niklaus von Flüe heiliggesprochen hatte. Der Unterschied zwischen Seliggesprochenen und Heiliggesprochenen ist übrigens, dass Heilige weltweit verehrt werden dürfen, bei Seligen jedoch nur eine lokale Verehrung gestattet ist. Die regionale Bedeutung wurde durch Papst Benedikt XVI. damit bestärkt, dass die Seligsprechung am Ort der Verehrung stattfinden soll und nur die Heiligsprechung in Rom vollzogen wird.
Info
Niklaus-Wolf-Stiftung
Zweck Die Niklaus-Wolf-Stiftung Neuenkirch will die Bekanntheit und Verehrung von Niklaus Wolf fördern. Ausserdem unternimmt sie die nötigen Schritte für eine Selig- bzw. Heiligsprechung. Sollte Vater Wolf dereinst seliggesprochen werden, könnte somit später auch die Anerkennung als Heiliger folgen. Jährlich finden auch diverse Veranstaltungen rund um Vater Wolf statt. Dazu zählt das Glaubensfest jeweils am ersten Sonntag im September, an dem die Vater-Wolf-Verehrerinnen und -Verehrer zusammenkommen, notabene ununterbrochen seit 1841. Weiter gibt es unter anderem nebst Gebetsabenden Segnungsgottesdienste mit Eucharistiefeier, Heilungsgebet und persönlichem Segen sowie Beichtgelegenheit, zum nächsten Mal am Sonntag, 20. Oktober, in der Pfarrkirche Neuenkirch.
Info
Wundersames: Kirche ist zurückhaltend
Pilgerort Medjugorje Das kleine bosnisch-herzegowinische Dorf Medjugorje gehört zu den grössten Pilgerstätten Europas. Seit den 80er-Jahren wird dort von Marienerscheinungen berichtet. Gemäss einem kürzlich ausgestrahlten Radiobeitrag von SRF wurden dort alleine im letzten Jahr bei Messen 1,7 Millionen Hostien verteilt. Kürzlich hat nun der Vatikan mitgeteilt, man anerkenne den äusserst beliebten Wallfahrtsort. Er lässt es allerdings offen, ob in diesem Ort rund 100 Kilometer südwestlich von Sarajewo die Muttergottes tatsächlich regelmässig erscheint und sich mitteilt. Der Vatikan ist zurückhaltend, wenn es darum geht, zu bestätigen, ob eine Marienerscheinung vorliegt oder nicht. Der Vizepostulator der Niklaus-Wolf-Stiftung, Stefan Tschudi, der im Stift in Beromünster auch als Chorherr wirkt, sagt aber auch: «Erst nachdem es keine Erscheinungen mehr gibt, prüft und entscheidet die Kirche, ob sie echt waren.» Die katholische Kirche gehe hier sehr pragmatisch und konsequent vor.