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Neuenkirch

Die ersten Pferde im Bad waren Arbeiter

Geri Wyss 13. Februar 2020

Die Rossbadi in Neuenkirch gibt zu reden. Dass das Nebeneinander von Pferd und Mensch heute Schwierigkeiten bereitet, hat viel mit der modernen Freizeitgestaltung zu tun.

Die Gemeinde Neuenkirch schränkt die Benützung der Rossbadi durch Reiter mit ihren Pferden ein. Von Mai bis September darf der Weg vom Seeland vorbei an der ARA und dem Trainingsplatz des Kavallerie- und Reitvereins (KRV) Sempach bis zur Rossbadi nur noch vormittags von 7 bis 11 Uhr benutzt werden. Die restliche Zeit gilt ein Reitverbot (Ausgabe vom 6. Februar). Es war zu heiklen Situationen zwischen den Menschen und Tieren gekommen und dadurch auch zu Reklamationen, welche die Gemeinde zum Handeln veranlasst hat.

 

Ein Phänomen der Moderne

Doch woher rührt eigentlich die Beliebtheit des Platzes am See? Wann begannen die Pferdefreunde, den schmucken Sandstrand und flachen Einstieg ins Wasser des Sempachersees zu schätzen und zu nutzen? Es sei der einzige Platz, der sich dazu eigne, Pferde im Sempachersee ins Wasser zu führen, hatte die Hildisrieder Reiterin Milena Polinelli gegenüber unserer Zeitung ausgeführt. Seit vielen Jahren nutzt sie diese Möglichkeit.

Wenn man den Blick weiter in die Vergangenheit richtet, zeigt sich, dass diese starke Frequentierung von Reitern und Pferden noch nicht sehr weit zurückreicht. Ein rund 90-jähriger Zeitzeuge aus Sempach Station berichtet davon, dass er als Kind immer mal wieder in der Nähe der Rossbadi ins Wasser gestiegen sei. Ein kleiner Holzunterstand auf der anderen Seite des Lippenrütibaches habe etwas Schutz geboten. Ansonsten habe es keine Infrastruktur gegeben. «Pferde waren damals noch keine im Wasser», sagt er weiter. Auch andere ältere Einheimische hätten ihm bestätigt, dass das Baden der Pferde im grossen Stile erst aufgekommen sei, als die Tiere nicht mehr als Arbeitstiere, sondern als Sport- und Freizeitbeschäftigung gehalten worden seien.

 

Arbeitspferde abgekühlt

Der Name «Rossbadi» komme von der Sitte, dass früher die Bauern, deren Pferde Arbeitsgeräte oder Anhänger gezogen hätten, im Hochsommer dort mit ihren erhitzten Pferden eine Abkühlung gesucht hätten, erzählt Josef Peter, der das Neuenkircher Heimatarchiv betreut. Menschen hätten begonnen, etwa in den 30er- und 40er-Jahren dem Baden zu frönen. Pferde seien am ehesten dann im Wasser gestanden, wenn Mitglieder des KRV Sempach ihre Pferde nach dem Training badeten. Seit Social Media das Teilen von schönen Fotos und Propagieren sogenannter Geheimtipps leicht macht, kommen viele Menschen von weit ausserhalb der Region in die Rossbadi, ob mit oder ohne tierische Begleitung. Was «Online-Werbung» und Mund-zu-Mund-Propaganda ausmachen kann, konnte in den vergangenen beiden Hitzesommern auch in Sempach in der Seeallee leicht beobachtet werden.

 

Getrenntes Baden war Pflicht

In den Gemeinderatsprotokollen von Neuenkirch sind nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Passagen zu finden, welche sich mit dem neuartigen Phänomen des Badens auseinandersetzten. Es sei verschiedentlich diskutiert worden, wie mit dem vermehrten Baden in der Rossbadi umgegangen werden sollte. «Die Lehrerschaft wie auch der Gemeinderat wünschen, dass man sich der Seebadi Sempach anschliesst, speziell wenn bei dem bald wieder zunehmenden Verkehr das Seebad beim Seehüsli wieder von Männlein und Weiblein aus aller Herren Welt besucht wird und ein getrenntes Baden nach Geschlechtern so wieder fast nicht durchzuführen ist», heisst es da etwa. Ab etwa 1950 besuchte die Neuenkircher Jugend zunehmend die Seebadi in Sempach, die bequemere Infrastruktur bot, weiss Josef Peter.

 

Fussbad für die Pferde

Ein weiterer Zeitzeuge ist der 80-jährige Philipp Bühlmann, dessen Familie fünf Generationen lang bis in die 80er-Jahre eine Schmitte im Städtchen betrieben hatte. «Meines Wissens haben die Mitglieder des Kavallerievereins Sempach begonnen, mit ihren Pferden in der Rossbadi ein Fussbad zu nehmen. Dass früher der Ort schon vermehrt besucht worden ist, war bei uns in der Schmitte nicht bekannt.» Heute kämen auch viele Pferdebesitzer von weit her, weil der schöne Sandstrand bekannt geworden sei. «Der Name ‘Rossbadi’ existiert aber, so lange ich mich erinnern kann.»

 

Pferdefreunde gründen IG

Aus Pferdehalterkreisen formiert sich eine Interessengemeinschaft, die sich für den Erhalt der Rossbadi einsetzt. An vorderster Front engagiert sich die Hildisriederin Milena Polinelli. «Mithilfe der IG möchten wir rechtliche Fragen klären und der Gemeinde Vorschläge unterbreiten, welche den Risikofaktor in der Rossbadi auch wirklich senken.» Ein zeitliches Verbot sei nicht zielführend, ist Polinelli überzeugt. Der IG schweben vielmehr Infotafeln vor, die etwa in den vier Stunden am Vormittag den Pferdefreunden den Vortritt in der Rossbadi gewähren würden, Kinder nicht unbeaufsichtigt baden lassen sollten oder Pferde nicht am Wasser oder auf dem Weg angebunden sein dürften, um ein paar Ideen zu nennen. Weiter wolle man ein System erarbeiten, um den Besuch von ausserkantonalen Pferdehaltern einzudämmen, beispielsweise mit einer Online-Anmeldung, welche Luzerner Steuerzahlern den Zugang sichern würden. Sie sei zuversichtlich, dass die Gemeinde Neuenkirch bereit sei, die Vorschläge anzuhören, schliesst Milena Polinelli.

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