Diese Baustelle sorgt dann und wann für stockenden Verkehr: Bei der Raststätte Neuenkirch ist eine Wildtierüberführung im Bau, deren imposante Widerlagerwände und Mittelabstützungen aus Beton heute schon ins Auge springen. Seit Sommer des letzten Jahres laufen die Arbeiten. Nun folgen die Holzträger als Überdachung der Fahrbahn. Voraussichtlich bis Mitte Mai ist mit nächtlichen Verkehrsbehinderungen zu rechnen. Wie das Bundesamt für Strassen (Astra) mitteilt, wird der Verkehr in einer ersten Phase während voraussichtlich 15 Nächten auf der Fahrbahn Richtung Basel einspurig im Gegenverkehr geführt, weil in Fahrtrichtung Süd gebaut wird. Danach folgen dieselben Arbeiten – das Einsetzen der Holzträger, die Konstruktion der Decke und das Verlegen der Abdichtung über die Fahrbahn – in Fahrtrichtung Nord, weshalb während wiederum voraussichtlich 15 Nächten der Verkehr auf der Fahrbahn Richtung Gotthard einspurig im Gegenverkehr geführt wird. Tagsüber stehen zwei Fahrbahnen pro Richtung zur Verfügung.
Bestens geschütztes Holzdach
Die Holzüberdachung besteht aus total 90 Trägern mit einer Länge von 17,5 Metern. «Das verwendete Fichtenholz stammt aus dem Kanton Luzern», sagt Samuel Hool, Beauftragter Information und Kommunikation Astra. Die Holzteile werden druckimprägniert und zudem mit einer mehrlagigen Abdichtung und mit Schutzbahnen vor Feuchtigkeit geschützt. Darüber liegt am Ende eine rund 80 Zentimeter dicke Erdschicht für die Bepflanzung. «Der Unterhalt wird sich in einem vergleichbaren Rahmen wie bei einer Konstruktion aus Stahlbeton bewegen», hält Samuel Hool fest. Die schweizweit erste Wildtierüberführung mit tragenden Holzelementen verläuft übrigens über der A1 im Waldgebiet Rohr-Rupperswil zwischen Suhr und Gränichen.
Zäune stoppten die Tiere
Die Wildtierüberführung bei Neuenkirch wird den Chüsenrainwald, den Rümlikerwald sowie den Adelwilerwald mit dem Bärtiswilerwald verbinden. Seit dem Bau der A2 zwischen Sempach und Rothenburg in den 1970er-Jahren war dieser Korridor für die Wildtiere durchtrennt. Aus Sicherheitsgründen wurden die Fahrbahnen eingezäunt, weshalb Wildtiere wie Rehe, Wildschweine, Rothirsche, Gämse, aber auch kleinere Gesellen wie Dachse, Iltise, Hermelin und Marder nicht mehr zwischen den erwähnten Lebensräumen traversieren konnten. Das wird sich mit der Fertigstellung der Wildtierbrücke – geplant im Herbst 2021 – ändern. «Der Zeitplan und die Kosten von rund 10,7 Millionen Franken können eingehalten werden», sagt Samuel Hool.
Weitere Passage bei Knutwil
Der Wildtierkorridor in Neuenkirch ist einer von 304 überregional bedeutsamen Verbindungen. Sie erschliessen Ökosysteme oder günstige Lebensräume für die erwähnten Arten. Gemäss der Webseite des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) sind 47 davon (16 Prozent) durch Verkehrswege gänzlich unterbrochen, 171 oder rund 56 Prozent sind stark beeinträchtigt. 86 Korridore (28 Prozent) könne man als intakt bezeichnen. Zu Letzteren zählt der Wildtierkorridor bei Knutwil, der mithilfe einer im Herbst 2020 fertiggestellten Wildtierunterführung unter der Autobahn hindurchführt.
Seit 2003 arbeitet das Astra zusammen mit dem Bafu und den Kantonen an der Sanierung von unterbrochenen Korridoren durch den Bau von Wildtierpassagen. «Aufgrund des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz und in Abgleich mit dem kantonalen Richtplan ist das Astra verpflichtet, Wildtierkorridore zu sanieren und Querungshilfen für die Tiere zu erstellen», unterstreicht Samuel Hool.
Strukturen für Kleintiere
«Die bedeutendsten Verbindungen zwischen Populationsräumen sollen naturgerecht erhalten und nach Möglichkeit wildtierbiologisch aufgewertet werden.» Im Fall der Neuenkircher Wildtierbrücke heisst dies, dass auch Lebensräume für Kleintiere geschaffen werden. So entsteht unter anderem ein natürliches Biotop durch Regenwasser, es werden Steinhaufen für Reptilien und Asthaufen für Kleinsäuger erstellt, und Wurzelstöcke sowie eine vielfältige Bepflanzung komplettieren die natürliche Umgebung, die just über der vielbefahrenen Nord-Süd-Achse zu liegen kommt.
Sichtschutz vor dem Verkehr
Beim Bau von Wildtierquerungen werden durch deren Gestaltung beste Voraussetzungen geschaffen, dass die Tiere die Möglichkeit zur Querung nutzen. Hinzu kommt, dass Wildtierüberführungen grundsätzlich dort gebaut werden, wo sich eine natürliche Bewegungsachse der Tiere befindet. Blendschutzwände sorgen zudem dafür, dass das Wild durch den Verkehr nicht gestört wird. Da ausreichend Waldstrukturen im Bereich der Überführung vorhanden sind, müssen die Tiere auch nicht zusätzlich zum Übergang hingelenkt werden.