Beat Felder, wann hat die Weinlese auf Kirchbühl begonnen?
Vor dem Temperatursturz mit den Niederschlägen nach dem Bettag wurden bei bester Witterung die frühreifen Blütenmuskateller gelesen. Sie waren reif und gesund. Sehr aromatisch wie immer. Die anderen Sorten brauchen noch etwas Sonne, kühle Nächte und trockene Witterung. Bis Mitte Oktober wird die Lese dann sicher fertig sein.
Welche Aufgaben stehen da an?
Es gilt das Personal zu organisieren, saubere und genügend Gebinde bereitzustellen und für die Verpflegung zu sorgen. Entscheidend ist die Festlegung des Erntetermins einige Tage im Voraus. Dazu wird regelmässig der Traubensaft auf Säure degustiert und es werden die Beerenhäute gekaut, um festzustellen, ob diese reif sind. Bei einzelnen Sorten werden auch Reifeproben im Labor gemacht. Früher galt der Zuckergehalt oder die Oechslegrade als wesentlichster Faktor. Das ist nicht mehr so wichtig, da der Zucker meist im Überschuss vorhanden ist und der Alkohol in den Weinen eh genügend hoch ist.
Wie ist die Lese organisiert und wer ist daran beteiligt?
Die Trauben auf Kirchbühl werden mehrheitlich von der Familie Gassmann und deren Personal gelesen. Sie organisieren auch die Gebinde und den Transport in die Kelterei zur Verarbeitung. Der Erntetermin wird mit mir abgesprochen. Die Kommunikation mit dem Kelterbetrieb betreffend Mengen, Anlieferung, Verarbeitung etc. liegt auch bei mir. Die Weinstilistik wird innerhalb der Weinbau Sempachersee GmbH festgelegt. Diese ist für die Weine und die Vermarktung zuständig. Vermarktet werden die Weine über Gerstl Weinselektionen mit einem Shop auch in Sempach. Wichtig ist, dass alle am selben Strick ziehen, wie man so schön sagt. Alle müssen ihren besten Job machen.
Welche Rebsorten werden bereits jetzt geerntet, welche später, und weshalb?
Bei den Reben sind nicht alle Sorten miteinander reif, es gibt frühe, mittlere, späte und sehr spät reifende Sorten. Der Merlot ist die späteste Sorte im Anbau, der Blütenmuskateller die früheste. Für die einen braucht es nach der Blüte der Reben etwa 100 Tage, für die anderen 120 bis 130 Tage, je nach Wetter natürlich.
Beim Merlot handelt es sich um eine klassische Bordeaux-Sorte. Wie funktioniert diese in unseren weit nördlicheren Breiten?
Pinot noir und Merlot sind die beiden mit Abstand beliebtesten roten Sorten der Schweiz. Der Merlot ist dabei noch etwas später reif. Die Sorte passt heute ideal an den Sempachersee. Vor 20 Jahren wäre das noch ein Risiko gewesen. Die Klimaveränderung macht das nun möglich. Allerding hat die Sorte etwas Mühe mit dem Starkregen im Herbst. Der nimmt tendenziell zu. Das macht auch den Tessiner Winzern zu schaffen. Ideal wäre, eine Piwi-Sorte (pilzwiderstandsfähig) mit demselben Charakter. Weil es beim Weisswein bereits solche Topsorten gibt, wurden für den Weissen in Sempach ausschliesslich Piwis gepflanzt.
Mancherorts werden Trauben aktiv bis zum ersten Frost hängengelassen, um Süssweine zu generieren. Wird das auf Kirchbühl auch in Betracht gezogen?
Das funktioniert bei uns leider nicht. Bis der Frost kommt – für den Eiswein braucht es minus 7° Celsius –, sind die Trauben bei uns eingetrocknet.
Wie steht es um den Ertrag in diesem Jahr? Wird ein guter Jahrgang erwartet?
Er wird irgendwo zwischen 2023 und 2024 liegen. 2023 war ein Topjahr, im 2024 gab es wegen des vielen Regens, der mangelnden Sonne und den Schäden durch die Stare Einbussen. Wie der Wein wird, kann eigentlich erst nach der Ernte beurteilt werden. Das laufende Jahr wird wohl auch betreffend Jahrgang zwischen 2023 und 2024 liegen. Ich sage immer, schlechte Jahre gibt es eigentlich nicht mehr, aber mehr oder weniger Ertrag. Dazu tragen vorzeitiges Wegschneiden und gutes Söndern bei der Ernte bei. Entscheidend ist nicht, was hängt, sondern das, was davon in den Keller kommt.
Wie viele Flaschen werden ungefähr entstehen von dieser Lese?
Wir rechnen mit etwas über 10'000 Flaschen. Der Rebberg Kirchbühl ist noch jung und wurde erst 2021 gepflanzt. 2022 gab es den ersten Ertrag. 2023 war erstmals Vollernte. Das ist so sonst nicht üblich. Einzelne Weine sind zum Teil auch bereits mehrfach prämiert.
Die Weinlese wird von Laien wohl öfters etwas romantisiert. Ist das tatsächlich eine schöne Arbeit oder geht das mehr Richtung Knochenjob?
Das hängt ganz vom Umfeld, dem Wetter und auch von den Trauben ab. Muss stark gesöndert werden, ist das eine Geduldsarbeit. Sind die Trauben schön und gesund, ist die Lese ein Vergnügen für alle Beteiligten. Es gibt Betriebe, die die Weinlese als Event ausschreiben und zelebrieren. In jedem Falle ist die Lese ein Dank für die grosse Arbeit des ganzen Jahres. Das geniesst jede Winzerfamilie. Der Rebbau ist aufwändig, er verlangt viel Handarbeit und ist extrem von der Witterung abhängig.