Weniger Last auf einzelnen Schultern, mehr Kompetenzen und Entscheidungskraft bei Bereichsleitenden, strategisch arbeitender Gemeinderat: Das sind vereinfacht umschrieben die Ziele, die sich Neuenkirch mit der neuen Gemeindeorganisation gesetzt hat. Sie ist seit dem 1. September des letzten Jahres in Kraft. Anfang 2022 hatte man die Reorganisation gestartet, die auch aufgrund politischen Drucks nötig geworden war. Seither sind operative Bereichsleitende an der Arbeit, welche den jeweiligen Ressortvorstehenden im Gemeinderat unterstellt sind. Zur Neuorganisation gehört zudem, dass die Rechnungsprüfung extern ausgelagert worden ist. Im Gegenzug ist eine Controlling-Kommission geschaffen worden, welche den Gemeinderat in seinen politischen Geschäften begleitet.
Sowohl Gemeindepräsident Marcel Wolfisberg als auch der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Thomas Rubin, ziehen ein positives Zwischenfazit. «Mit der neuen Organisationsreform hat sich viel verändert», unterstreicht Rubin. «Es brauchte eine gewisse Angewöhnungszeit an die neuen Verhältnisse», fügt Wolfisberg an, «und gewisse Feinjustierungen werden sicherlich noch nötig sein.» Doch alles in allem sei der Systemwechsel wirklich gut gelungen, konstatieren beide.
Wespis grosse Arbeit
Gemeindeammann Markus Wespi, bei dessen 100-Prozent-Stelle sehr viele Fäden zusammengelaufen sind, war in aussergewöhnlichem Mass von der neuen Gemeindeorganisation betroffen. Bei ihm hatte sich über all die Jahre sehr viel Fachwissen und Erfahrung angesammelt. «Und es war unglaublich, wie er bei all den Zuständigkeiten und der vielen Arbeit jederzeit seine Leistung hat bringen können», weist Marcel Wolfisberg auch auf Wespis Ausfallrisiko hin. Deshalb hat die Gemeinde für ihn eine Übergangslösung erarbeitet. Markus Wespi ist seit einem Jahr zu 60 Prozent als Gemeindeammann und Bauvorsteher politisch tätig, und zu 40 Prozent als strategischer Projektleiter des Gemeinderates angestellt. Ende August 2028 wird seine Amtszeit und damit die Übergangslösung enden.
Amtszeitbeschränkung, aber …
Dannzumal wird er auf satte 28 Jahre als Gemeindeammann zurückblicken können. Die neue Gemeindeordnung sieht eine Amtszeitbeschränkung von 16 Jahre vor. Zudem wurden die Gemeinderatspensen näher an die Realität herangeführt. Sie sehen statt den bisherigen 25 Prozent neu 30 bis 35 Prozent vor. «Für die Gemeinderatsmitglieder ist es, aufgrund der anstehenden Aufgaben und Projekte, zeitlich weiterhin eine Herausforderung», hält Thomas Rubin fest. Marcel Wolfisberg ergänzt, dass man als Gemeinderätin oder Gemeinderat zu einem Amt Ja gesagt habe, welches immer mal wieder Sonderrunden erfordere.
Saubere Übergabe
Markus Wespi selbst spricht von einem spannenden, aber auch anspruchsvollen Veränderungsprozess rund um die Schnittstellenabgrenzung zwischen der strategischen Gemeinderatsebene und den operativ arbeitenden Bereichsleitenden. «Der Gemeinderat hat grossen Wert daraufgelegt, die verschiedenen Aufgaben, welche früher bei der Geschäftsleitung, bei der Sozialvorsteherin oder dem -vorsteher sowie beim Gemeindeammann angesiedelt waren, so übergeben zu können, dass sich die neuen Funktionsträgerinnen und -träger gut haben einarbeiten können», resümiert Markus Wespi. «Bei Bedarf können sie auch auf die früheren Kaderpersonen innerhalb der Gemeindeorganisation zurückgreifen.»
Alles brauchte Zeit
Einen besonderen Weg ist auch die ehemalige Sozialvorsteherin Nadia Wüest gegangen. Auf eigenen Wunsch hat sie in die Verwaltung gewechselt. Zusammen mit Miriam Bühlmann-Passarella bekleidet sie die Co-Bereichsleitung Soziales und Gesellschaft. Sie habe die neue Gemeindeordnung als grundsätzlich sehr positiv wahrgenommen, weist aber auch darauf hin, dass Veränderung von einem solchen Ausmass Zeit bedinge, «bis sich Arbeitsabläufe, Rollenfindungen und Zuständigkeiten eingespielt haben». Herausfordernd sei für sie die Zeit vor dem Wechsel gewesen. «Zu wissen, dass der Moment naht und ich loslassen und abgeben muss, war nicht immer so einfach.» Ihr habe die Arbeit im Gemeinderat, der Austausch mit Amtskolleginnen und -kollegen, der Bevölkerung und weiteren Gremien sehr gefallen.
Dem Operativen zugeneigt
«Entgegen der Meinung von einigen Einwohnenden fiel es mir aber leicht, am 1. September mit Gabriela Ziswiler als Sozialvorsteherin auf den Weg zu gehen.» Zur Motivation, auf eigenen Wunsch hin die strategische Ebene im Gemeinderat zu verlassen, erläutert Nadia Wüest: «Meine berufliche Laufbahn erlebte ich bisher grösstenteils auf Verwaltungen im operativen Bereich. Für mich war klar, dass ich diesen Teil meiner Aufgabe auf der Gemeindeverwaltung Neuenkirch nicht aufgeben möchte.» Deshalb habe sie sich gegen die strategische Arbeit entschieden. «Auch wenn meine Zeit im Gemeinderat kurz war, bin ich sehr dankbar für alle Erfahrungen, die ich machen durfte, für Kontakte, die entstanden sind, und Herausforderungen, die gemeistert wurden.»
Kulturwandel vollzogen
Nadia Wüest ist auch eines der fünf Mitglieder der Geschäftsleitung. Zuvor bildeten lediglich drei Personen die Geschäftsleitung, was laut Thomas Rubin, aufgrund der damaligen Zuständigkeiten, viele Entscheidungen auf wenige Köpfe konzentriert habe. «Nun haben wir eine breiter abgestützte Geschäftsleitung. Dasselbe gilt für die Bereichsleitungen.» Er wie Marcel Wolfisberg sind froh, hat man die grosse Arbeit der Neuorganisation und den damit verbundenen Kulturwandel vollziehen können.