Stellen Sie sich vor, der überschüssige Solarstrom vom Hof in Ihrer Gemeinde versorgt direkt Ihr Zuhause. Oder Sie speisen den Strom Ihrer eigenen Photovoltaikanlage nicht mehr einfach ins Netz ein, sondern verkaufen ihn direkt an Ihre Nachbarschaft. Genau das wird durch das neue Energiegesetz, welches im Juni 2024 durch die Stimmbevölkerung mit 68,7 Prozent angenommen wurde, möglich. Entsprechend gross war das Interesse am vergangenen Donnerstag: In einem bis auf den letzten Platz gefüllten Raum verfolgten über 60 Personen gespannt die Ausführungen des Referenten. Im Publikum: Stromproduzenten mit eigenen Solaranlagen, potenzielle Abnehmer, Vertreter anderer Landi-Standorte und sonstige Interessierte.
Möglichkeit 1: vZEV
Beim virtuellen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (vZEV) schliessen sich mehrere Parteien hinter demselben Netzanschlusspunkt – etwa ein Landwirt mit einer Photovoltaikanlage und seine Nachbarn – zu einer einfachen Gesellschaft zusammen, um den erzeugten Solarstrom gemeinsam zu nutzen. Der Vorteil dieses Modells liegt nun darin, dass der Strom intern verteilt wird, ohne dass Netznutzungsgebühren anfallen. Durch das Wegfallen dieser Netznutzungsgebühren entsteht eine Differenz im Strompreis, wodurch die Abnehmer ihren Strom günstiger beziehen können als über das öffentliche Netz, während der Produzent dennoch eine bessere Vergütung erhält. Win - Win also. Ist das nun der grosse Geldregen für Produzenten und Abnehmer? Aktuell wisse man noch nicht genau, wo die Reise hingehe, sagt Peter Käch, Geschäftsführer der Landi Sempach-Emmen, dazu. Nach Hochrechnungen dieser Zeitung auf Basis der präsentierten Zahlen ist folgendes anzunehmen: Für private Haushalte als Abnehmer ergeben sich aufs Jahr wohl Einsparungen im niedrigen dreistelligen und für Produzenten Mehreinnahmen im niedrigen vierstelligen Frankenbereich. Diese Angaben sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen. Verändern sich die Gegebenheiten, beispielsweise in der Gesetzgebung, im Strommarkt oder wenn aussergewöhnlich hohe oder tiefe Strommengen gehandelt werden, variiert entsprechend auch der finanzielle Mehrwert. Die Zukunft wird also zeigen, wie lukrativ die neuen Möglichkeiten wirklich sind.
Möglichkeit 2: LEG
Das zweite neue Modell ist die Bildung einer lokalen Elektrizitätsgemeinschaft (LEG). Anders als beim vZEV, ermöglicht die LEG erstmals den Verkauf von Solarstrom über das öffentliche Netz. Dies bedeutet, dass beispielsweise ein Landwirt seinen überschüssigen Strom an einen Gewerbebetrieb oder einen Dienstleister innerhalb der politischen Gemeinde verkaufen kann. Dabei verringert sich der Netznutzungstarif um 15 – 30 Prozent, was auch hier eine Differenz ergibt und somit einen finanziellen Mehrwert für Abnehmer und Produzenten, wobei dieser hierbei noch etwas geringer ausfällt als bei einem vZEV.
Rolle der Landi
Die Landi Sempach-Emmen will bei der Abwicklung dieser neuen Vermarktungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle einnehmen. Sie berät Interessenten, vermittelt zwischen Stromproduzenten und Abnehmern und agiert selbst als Strombezüger. Zudem stellt sie in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Fleco Power AG eine Abwicklungslösung inklusive Website bereit, womit die gesamte Administration ausgelagert werden kann. Im Gegenzug kassiert sie einen Teil der Einsparungen als Provision.
Was man an diesem Abend oft zu hören bekam: So gross, sei das Potenzial gar nicht, denn die allermeisten Höfe oder auch Betriebe hätten inzwischen bereits eine Lösung mit passenden Anlagen, denn nach dem Solar-Boom ab 2021 infolge der hohen Energiekosten hätten viele aufgerüstet. Genau darin sieht Peter Käch jedoch die Chance. «Ja, dass schon viele Anlagen und damit auch Lösungen existieren, ist sicher der Grundtenor, aber genau darin sehen wir auch das Potenzial! Dieses Puzzlespiel, für jemanden mit einer Überproduktion an Strom einen geeigneten Abnehmer zu finden, ist das Spannende für uns. Wir als Landi haben in der Region durch unsere Präsenz sowohl zu den privaten Stromproduzenten, oft Landwirten, als auch zu interessierten Abnehmern wie Unternehmen oder private Haushalte einen guten Draht und können so als Vermittler agieren», sagt Käch weiter.
Chancen und Risiken
Ein klarer Vorteil ist die wirtschaftliche Attraktivität für alle Beteiligten. Verbraucher profitieren von günstigeren Strompreisen, während Produzenten höhere Einnahmen erzielen können, als es mit der klassischen Netzeinspeisung möglich wäre. Da der Strom direkt in der Region genutzt wird, bleibt die Wertschöpfung lokal, und es entsteht eine stärkere Unabhängigkeit von grossen Energieversorgern. Zudem reduziert sich der Bedarf an Stromimporten, was langfristig zur Stabilität der Schweizer Energieversorgung beiträgt.
Allerdings gibt es auch Risiken, die bedacht werden müssen. Die Marktpreise für Strom schwanken, wodurch die Vergütung für eingespeisten Strom nicht immer konstant bleibt. Dies kann insbesondere für Produzenten zum Problem werden, falls der Marktpreis steigt. Auch die Organisation innerhalb einer Eigenverbrauchsgemeinschaft oder einer lokalen Elektrizitätsgemeinschaft erfordert eine klare Struktur, da die Beteiligten eine gemeinsame Verantwortung tragen. Wird beispielsweise eine Partei in einem solchen Zusammenschluss zahlungsunfähig, haften die anderen für sie.